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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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216<br />

Sigrid Oehler-Klein<br />

dieses Instituts war, 35 hatte guten Einblick in die damals aktuelle an der genetischen<br />

Abteilung stattfindende experimentelle Mutationsforschung, d. h. in die Versuche<br />

zur Phänogenetik, zur Genmanifestation, <strong>und</strong> zur Populationsgenetik. Boehm war<br />

offenbar mit dem führenden Strahlengenetiker dieser Abteilung, Nikolaj Timoféeff-<br />

Ressovsky, nicht nur in fachlicher Hinsicht, sondern auch auf einer persönlichen<br />

Ebene bekannt. 36 Ziel der Arbeiten der genetischen Abteilung war es, den Mechanismus<br />

des Mutationsvorganges zu analysieren <strong>und</strong> die Vorgänge, die zu Mutationen<br />

führen, zu erfassen. Auf diesem Wege wollte man an der Abteilung die physikalische<br />

Natur biologischer Elementarvorgänge studieren, aber auch zugleich ein Bedürfnis<br />

nach praktischer Bedeutung der Forschung befriedigen, was wiederum Boehms erbpathologischen<br />

Interessen entsprach:<br />

„Außerdem hat die experimentelle Mutationsforschung ein gewisses praktisches<br />

Interesse in dem Sinne, dass die Kenntnis des Mutationsmechanismus<br />

<strong>und</strong> der mutationsauslösenden Faktoren, sowie die Kenntnis der allgemeinen<br />

Züge der Mutabilität der Organismen als Gr<strong>und</strong>lage sowohl für Mutationsauslösungsversuche<br />

zu züchterischen Zwecken, als auch zur Abschätzung<br />

<strong>und</strong> Vermeidung von Erbschädigungsgefahren beim Menschen dienen können.“<br />

37<br />

Solche Äußerungen, die als Legitimierungsstrategie gegenüber den Anforderungen<br />

des Staates zu deuten sind, zeigen exemplarisch eine potentielle <strong>und</strong> erwünschte<br />

Verbindung zwischen wissenschaftlicher Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> ihrer Verwertbarkeit<br />

im NS-Staat. Und Boehm verstand sich als derjenige, der diese Verbindung<br />

in der Lehre herstellen konnte. Schließlich beschäftigte sich Boehm mit der Manifestationswahrscheinlichkeit<br />

verschiedener Erbleiden, bei welcher auch – das hatten<br />

35 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums, 20.12.1938, in: B<strong>und</strong>esarchiv Berlin (im<br />

Folgenden BArch), Berlin, R 4901/14104. Beiliegend: Tätigkeitsbericht der Genetischen Abteilung<br />

des Kaiser-Wilhelm-Instituts, Berlin-Buch, für das Jahr 1937/1938. Boehm war (zusammen<br />

mit G. Gottschewski, W. Hüttig, A. Pickhahn, W. F. Reinig, O. H. Schindewolf, H. Stubbe, N.<br />

Timoféeff-Ressovsky, F. v. Wettstein, K. G. Zimmer) Herausgeber der Reihe „Probleme der theoretischen<br />

<strong>und</strong> angewandten Genetik <strong>und</strong> deren Grenzgebiete“, Leipzig 1936ff. Darin gaben führende<br />

Vertreter der Genetik einen Überblick über die aktuelle Forschung.<br />

36 Diesen Umstand führte Boehm in der Nachkriegszeit als Entlastungsgr<strong>und</strong> an, insofern<br />

Timoféeff-Ressovsky ein Gegner der Nationalsozialisten gewesen sei. Vgl. die Diskussion um die<br />

deutsche Staatsbürgerschaft T.-R.’s; Schreiben an den Reichserziehungsminister vom 8.12.1938,<br />

in: BArch Berlin, R 4901/14104. Vgl. auch die Abschrift der Eidesstattlichen Erklärung Professor<br />

Fritz G. Houtermans, a. pl. Prof. d. Physik an der Universität Göttingen, vom 14.1.1946, in:<br />

Spruchkammerakte Boehm (wie Anm. 2). Zum Verhältnis des Genetikers zum NS-Regime vgl.<br />

Helga Satzinger, „Die blauäugige Drosophila – Ordnung <strong>und</strong> Zufall als Faktoren der Evolutionstheorie<br />

bei Cécile <strong>und</strong> Oskar Vogt <strong>und</strong> Elena <strong>und</strong> Nikolaj Timoféeff-Ressovsky am Kaiser-<br />

Wilhelm-Institut für Hirnforschung Berlin 1925-1945“, in: Rainer Brömer/Uwe Hoßfeld/Nicolaas<br />

A. Rupke (Hrsg.), Evolutionsbiologie von Darwin bis heute, Berlin 2000, 161-195, hier 175f.<br />

37 Tätigkeitsbericht der Genetischen Abteilung (wie Anm. 35), 1.

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