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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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Sigrid Oehler-Klein<br />

In Boehms späteren Schriften <strong>und</strong> Äußerungen ist keine Änderung seiner rassistisch<br />

geprägten Haltung zu beobachten, selbst dann nicht, als er interne Kenntnisse von<br />

den Verbrechen des Regimes, die als Konsequenz der nationalsozialistischen Rassenhygiene<br />

zu werten sind, erhielt. Jedenfalls hatte er, seiner eigenen Zeugenaussage<br />

zufolge, die sich in den Verhörprotokollen des Nürnberger Ärzteprozesses finden<br />

lässt, durch den stellvertretenden Reichsärzteführer Kurt Blome (1894-1969) im Jahr<br />

1941 Kenntnis von Plänen erhalten, dass „die geistige Oberschicht des polnischen<br />

Volkes durch ausgedehnte Sterilisierungen vernichtet werden sollte.“ 54 In einem am<br />

25. November 1943 gehaltenen Vortrag anlässlich der feierlichen Immatrikulation<br />

der Studierenden für das Wintersemester 1943/44 in Gießen erklärte Boehm einem<br />

Zeitungsbericht zufolge 55 mit Durchhalteparolen den Krieg im Osten als „weltanschaulichen<br />

Krieg“. Die Gr<strong>und</strong>lage der „nationalsozialistischen Weltanschauung“,<br />

die „in krassem Gegensatz zum Individualismus des Westens <strong>und</strong> zum Kollektivismus<br />

im Osten“ stehe, sei im Rassegedanken zu finden <strong>und</strong> dieser basiere auf der Vererbungslehre.<br />

Das weltanschaulich geschlossenste Volk werde diesen Krieg gewinnen.<br />

Je stärker daher der Rassegedanke sich verankere, umso sicherer stehe am Ende das<br />

siegreiche Deutschland.<br />

Dieser „Weltanschauungskrieg“ war in den von Deutschen besetzten Gebieten<br />

im Osten auch auf die Vernichtung der „jüdischen“ Bevölkerungsteile ausgerichtet,<br />

mit welchen ein dauerhaftes Zusammenleben den Nationalsozialisten schon lange<br />

vor Beginn des Krieges aus rassisch-bevölkerungspolitischen Gründen prinzipiell<br />

unmöglich erschien. Es ist nicht wahrscheinlich, dass Boehm über den zu dieser Zeit<br />

im Osten stattfindenden Vernichtungskrieg nicht informiert war.<br />

Man glaubte Boehm auch nicht, als er 1948 in der öffentlichen Sitzung der<br />

Spruchkammer Darmstadt-Lager behauptete, er habe von dem Terror des Regimes<br />

nicht gewusst. Das Verhörprotokoll vermerkt als Antwort auf die Frage des Vorsitzenden<br />

[Wilhelm Schmelzer]:<br />

„[...] geben Sie mir Antwort, wie ist das psychologisch zu erklären, dass bei<br />

uns zuhause kleinen Kindern wenn sie den Namen [sic !] Dachau hörten ein<br />

eiskalter Schauer über den Rücken lief. Betroffener [Boehm]: Es ist zweifel-<br />

54 Zeugenaussage Boehms dokumentiert in: Klaus Dörner/Angelika Ebbinghaus/Karsten Linne<br />

(Hrsg.), <strong>Der</strong> Nürnberger Ärzteprozeß 1946/47. Wortprotokolle, Anklage- <strong>und</strong> Verteidigungsmaterial,<br />

Quellen zum Umfeld. Dt. Ausg. Mikrofiche-Edition, Erschließungsband. München 2000,<br />

2/01285f.<br />

55 Vgl. Gießener Anzeiger, 20.12.1943. Am 16.12. war der Vortrag in dieser Zeitung wie folgt angekündigt<br />

worden: „Es spricht Prof. Dr. Boehm, Direktor des Universitäts-Instituts für Erb- <strong>und</strong><br />

Rassenpflege, über ‚Die Bedeutung der Vererbungslehre für den Nationalsozialistischen Rassegedanken‘.<br />

Das eigentliche Revolutionäre der nationalsozialistischen Weltanschauung liegt in dem<br />

Rassegedanken, denn damit setzt sich der Nationalsozialismus in schärfstem [sic!] Gegensatz zu<br />

der marxistischen Umweltstheorie. Auf dem Boden der gesicherten Ergebnisse der Vererbungslehre<br />

wird der Nachweis geführt, daß die Gr<strong>und</strong>lagen des Rassegedankens wissenschaftlich absolut<br />

richtig sind.“

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