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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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Verbrechen an psychisch Kranken <strong>und</strong> Behinderten im Nationalsozialismus 227<br />

Kathleen Haack, Ekkehardt Kumbier<br />

Verbrechen an psychisch Kranken <strong>und</strong> Behinderten<br />

in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

Eine Bestandsaufnahme unter besonderer Berücksichtigung von Mecklenburg<br />

<strong>und</strong> spezifisch Rostock 1<br />

Vergangenheit kann nicht bewältigt werden. Sie kann erinnert, vergessen oder bewusst<br />

verdrängt werden. Nicht selten ist man geneigt, sich von ihr abzuwenden, erst<br />

recht im Angesicht der schrecklichen Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte.<br />

Was Menschen anderen Menschen angetan haben, ist unvorstellbar, so sehr, dass die<br />

bewusste Erinnerung daran zutiefst belastend ist. Dies gilt auch für eines der dunkelsten<br />

Kapitel der deutschen Medizin, dem unter dem euphemistischen Begriff<br />

„Euthanasie“ – wörtlich: der leichte, gute Tod – begangenen systematischen Mord<br />

an psychisch kranken <strong>und</strong>/oder behinderten Menschen. Ihr Tod war alles andere als<br />

leicht. Sie wurden erschossen, vergast, mit Tabletten oder Injektionen getötet oder<br />

mussten verhungern. Wer den nationalsozialistischen rassebiologischen Utopien<br />

nicht entsprach, konnte schnell ins Abseits geraten. Diejenigen, die als minder intelligent,<br />

behindert oder unheilbar krank galten, wurden ab 1933 im Interesse der „Höherentwicklung<br />

der eigenen Rasse“ zwangssterilisiert. Nicht wenige von ihnen fielen<br />

ab 1939 den Morden an Kranken <strong>und</strong> Behinderten zum Opfer. Ihr Tod resultierte aus<br />

der Verabsolutierung des vermeintlichen Nutzens für eine Gesellschaft, deren Grenzen<br />

immer enger gesteckt wurden. Als „Ballastexistenzen“ <strong>und</strong> „minderwertig“ etikettiert,<br />

hatten diese Menschen keine Berechtigung auf Leben.<br />

In Anbetracht der Tendenzen, den Wert eines Lebens allein an seiner Leistungsfähigkeit<br />

zu messen – erinnert sei an die aktuelle Diskussion um aktive Sterbehilfe<br />

an Demenzkranken – erscheint es umso wichtiger, sich des Schicksals der Opfer zu<br />

erinnern, zur bleibenden Achtung ihrer Würde <strong>und</strong> zur Mahnung.<br />

„<strong>Der</strong> Krieg gegen wehrlose Menschen“<br />

Zwischen 1939 <strong>und</strong> 1945 wurden ca. 300.000 Patienten systematisch ermordet. 2 Die<br />

so genannte Aktion T4, benannt nach dem geheimen Sitz der Organisation in der<br />

Tiergartenstraße 4 in Berlin, war die erste systematisch <strong>und</strong> zentral organisierte<br />

1 Bei dem vorliegenden Aufsatz handelt es sich um eine modifizierte <strong>und</strong> aktualisierte Version<br />

einer 2010 erschienenen Publikation: Kathleen Haack/Ekkehardt Kumbier, Lebensspuren – Opfer<br />

der Rostocker Psychiatrischen <strong>und</strong> Nervenklinik während der Zeit des Nationalsozialismus, in:<br />

Trauma <strong>und</strong> Gewalt 4, 2010, 282-292.<br />

2 Vgl. Heinz Faulstich, Die Zahl der „Euthanasie“-Opfer, in: Andreas Frewer/Clemens Eickhoff<br />

(Hrsg.), „Euthanasie“ <strong>und</strong> die aktuelle Sterbehilfe-Debatte. Die historischen Hintergründe<br />

medizinischer Ethik, Frankfurt am Main/ New York 2000, 227-229.

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