18.11.2012 Aufrufe

Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Hochschulpolitik in Deutschland 1933-1945<br />

Die Entlassungen <strong>und</strong> Vertreibungen führten zu Abwanderungen von Personen,<br />

auch vereinzelt von Zeitschriften <strong>und</strong> im Dezember 1933 sogar einer Institution,<br />

nämlich der Warburg-Bibliothek aus Hamburg nach London. In Deutschland gab als<br />

Gegengründungen zu den Theologischen Fakultäten mehrere Predigerseminare der<br />

Bekennenden Kirche, so 1935 das von Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) initiierte in<br />

Zingst, das ab 1937 in Finkenwalde bei Stettin weitergeführt wurde, bis es staatlicherseits<br />

geschlossen wurde. Doch blieben diese angesichts der staatlichen Gegenmaßnahmen<br />

Randerscheinungen. Im Ausland profitierte vor allem die New School<br />

for Social Research in New York, die durch die Berufung aus Deutschland vertriebener<br />

Wissenschaftler von einer Volkshochschule in eine reguläre sozialwissenschaftliche<br />

Hochschule mit Promotionsrecht umgewandelt werden konnte. 11 In der<br />

Selbstorganisation der exilierten Deutschen entstand die Notgemeinschaft deutscher<br />

Wissenschaftler im Ausland, die der vormalige Syndikus der Berliner Handelshochschule<br />

Fritz Demuth (1876-1965) leitete. In Paris <strong>und</strong> London bildeten sich KPDlastige<br />

Freie Deutsche Hochschulen, in Stockholm übernahm der Freie Deutsche<br />

Kulturb<strong>und</strong> diese Funktion, in Mexiko der Heinrich-Heine-Klub. Diese Exil-<br />

Hochschulen gewannen für die akademische Remigration vor allem in die SBZ <strong>und</strong><br />

nach Berlin (Ost) ab 1945/46 eine gewisse Bedeutung, so z. B. der aus London zurückgekehrte<br />

Wirtschaftshistoriker Jürgen Kuczinski (1904-1997). <strong>Der</strong> Academic<br />

Assistance Council in London, eine Gründung britischer Wissenschaftler, <strong>und</strong> dessen<br />

Schwesterorganisationen besonders in den USA vermittelten Arbeitsplätze <strong>und</strong><br />

Stipendien, so gut oder schlecht das während der dort weiterhin anhaltenden Weltwirtschaftskrise<br />

ging. Und im Hintergr<strong>und</strong> warf die Rockefeller Fo<strong>und</strong>ation erhebliche<br />

Summen aus, um exilierten deutschen, <strong>und</strong> später auch österreichischen, italienischen,<br />

spanischen <strong>und</strong> französischen Wissenschaftlern das Überleben zu ermöglichen.<br />

Schließlich sind noch die Hochschulen für deutsche Kriegsgefangene zu erwähnen,<br />

an denen auch exilierte Wissenschaftler als Dozenten lehrten.<br />

Die Planstellen, die durch das Gesetz vom 7. April 1933 „freigeschossen“ waren,<br />

wurden durch Berufungen neu besetzt, was auch angesichts des riesigen Überhangs<br />

qualifizierter Nachwuchswissenschaftler problemlos verlief. Dass es dadurch, wie es<br />

oft heißt, zu einem Qualitätsverlust gekommen sein soll, ist eher unwahrscheinlich:<br />

in Berlin folgte z. B. auf Albert Einstein der Niederländer Peter Debye (1884-1966),<br />

<strong>und</strong> als der 1939 in die USA ging, kam <strong>Werner</strong> Heisenberg (1901-1976), <strong>und</strong> als<br />

Nachfolger Max von Laues (1879-1960) wurde Pascual Jordan (1902-1980), zudem<br />

aktiver Nationalsozialist, aus Rostock berufen – das sind allesamt Wissenschaftler in<br />

der gleichen Liga. 12 Es gab natürlich auch 1933/35 – wie immer – einige wenige Berufungen,<br />

die sich später als wenig glücklich erwiesen. Durch den Entzug der venia<br />

legendi der Privatdozenten <strong>und</strong> Entfernung der nichtbeamteten außerordentlichen<br />

Professoren aus den Fakultäten veränderte sich natürlich die Tektonik der Nach-<br />

11<br />

Peter M. Rutkoff/William B. Scott, New School. A History of The New School for Social Research,<br />

New York/London 1980.<br />

12<br />

Es wäre eine Untersuchung wert, ob der Topos „Qualitätsverlust“ nicht ein als Philosemitismus<br />

verkleideter Antisemitismus ist.<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!