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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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Gabriele Moser<br />

tödlich verlaufende Versuche zur Impfstoff-Entwicklung durchgeführt, beispielsweise<br />

bei der Malaria- (durch Claus Schilling (1871-1946) im KZ Dachau) oder der<br />

Fleckfieberforschung (Eugen Haagen (1898-1972) im KZ Natzweiler-Struthof). Bei<br />

dem von mir bearbeiteten Thema der Krebsforschung handelte es sich dagegen um<br />

einen zivilen Sektor, der sich durch seine ‚Militärferne‘ von den medizinischen Disziplinen<br />

der Physiologie oder der Tropenmedizin unterschied. Letztere hatten stets<br />

eng mit den forschenden Wehrmachtstellen kooperiert. Krebsforschung repräsentiert<br />

insofern einen anderen Aspekt der medizinischen Forschung, die an Universitäten,<br />

Hochschulen <strong>und</strong> wissenschaftlichen Forschungsinstituten durchgeführt wurde <strong>und</strong><br />

die Teil der damals „üblichen Wissenschaft“ war („normal science“, „science as<br />

usual“). 20<br />

Auch wenn bei nachträglicher Betrachtung die meisten in der NS-Zeit auf dem<br />

Krebsforschungsgebiet öffentlich unterstützten <strong>und</strong> durchgeführten wissenschaftlichen<br />

Projekte im Hinblick auf ihren ideologischen Gehalt unauffällig scheinen,<br />

muss doch bei ihrer Beurteilung gr<strong>und</strong>sätzlich der durch die NS-Ideologie gesetzte<br />

Referenzrahmen mitgedacht werden, in dem die medizinische Forschung im nationalsozialistischen<br />

Deutschland stattfand. 21 „Normalität“ im NS-Staat implizierte auf<br />

der ges<strong>und</strong>heitspolitischen wie der medizinisch-forschungspolitischen Ebene die<br />

Dominanz des „Volkskörper“-Prinzips, das als biologistische Metapher für die Dazu-Gehörigen<br />

eine inkludierende Wirkung entfaltete. Dieses Prinzip wurde handlungsleitend,<br />

indem durch Maßnahmen der Erbhygiene <strong>und</strong> der Rassenpolitik die<br />

Umgestaltung der Gesellschaft durch staatsrechtliche, sozialpolitische, aber auch<br />

medizinische Intervention realisiert wurde. In bisher nicht gekannter Weise ist es<br />

dem Nationalsozialismus gelungen, die Bedeutung des Staates als lebendiger<br />

„Volkskörper“ festzuschreiben, in dem „der Wert der Einzelperson nur nach dem<br />

Grade ihres Nutzens für das Volksganze bemessen werden kann“, 22 wie die juristische<br />

Begründung des „Gesetzes zur Vereinheitlichung des Ges<strong>und</strong>heitswesens“ bereits<br />

1934 verkündete.<br />

Für die berufliche Tätigkeit an Hochschulen wiederum bedeutete „Normalität“,<br />

dass sämtliche aus politischen Gründen nicht erwünschte Forscher <strong>und</strong> besonders<br />

19 Marion Hulverscheidt, Fieberhafte Forschung? Zur deutschen tropenmedizinischen Wissenschaft<br />

im Spiegel ihrer Förderung durch die Notgemeinschaft/Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

1920-1970, in: Karin Orth/Willi Oberkrome (Hrsg.), Die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1920-<br />

1970. Forschungsförderung im Spannungsfeld von Wissenschaft <strong>und</strong> Politik (Beiträge zur Geschichte<br />

der DFG, Bd. 4). Stuttgart 2010, 279-292.<br />

20 Volker R. Remmert, What’s Nazi about Nazi Science? Recent Trends in the History of Science<br />

in Nazi Germany, in: Perspectives on Science 12, 2004, 4, 454-475.<br />

21 Vgl. die Beiträge in Bernd Sösemann (Hrsg.), <strong>Der</strong> Nationalsozialismus <strong>und</strong> die deutsche Gesellschaft.<br />

Einführung <strong>und</strong> Überblick. Stuttgart/München 2002 sowie Claudia Koonz, The Nazi Conscience.<br />

Cambridge/London 2003.<br />

22 Deutsches Reich. Begründung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

vom 3. Juli 1934, in: Reichsges<strong>und</strong>heitsblatt 9, 1934, Nr. 32, 665 f.

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