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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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<strong>Der</strong> <strong>Hygieniker</strong> <strong>und</strong> <strong>Ernährungswissenschaftler</strong> <strong>Werner</strong> <strong>Kollath</strong> 111<br />

haltsstoffe vernichtet bzw. in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt. In seinem Buch ordnete<br />

er die Nahrung nach „Lebensmitteln“ <strong>und</strong> „Nahrungsmitteln“ <strong>und</strong> unterschied<br />

verschiedene Wertstufen:<br />

Wertstufe 1: unveränderte, frische Lebensmittel<br />

Wertstufe 2: mechanisch veränderte Lebensmittel<br />

Wertstufe 3: enzymatisch veränderte Lebensmittel<br />

Wertstufe 4: hitzebehandelte Nahrungsmittel<br />

Wertstufe 5: konservierte oder stark verarbeitete Nahrungsmittel<br />

Wertstufe 6: aus Lebensmitteln isolierte Nahrungssubstanzen.<br />

Während er den Verzehr von „vollwertigen Lebensmitteln“ (Stufe 1-3) empfahl, riet<br />

er von „teilwertigen Nahrungsmitteln“ ab. Nur weitgehend unbehandelte Lebensmittel<br />

würden genügend „Auxone“ enthalten. Gekochte Kost ist seiner Auffassung nach<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nur „teilwertig“. 19 Entscheidend – laut <strong>Kollath</strong> – sind auch die qualitativ<br />

hochwertige Erzeugung der Nahrung <strong>und</strong> eine ganzheitliche Herangehensweise.<br />

Natürlich ist im Forschungsprozess auch das Betreten von Sackgassen gestattet.<br />

Doch das methodische Vorgehen muss gesichert sein. Fragwürdig war z. B. die unveränderte<br />

Übertragung der im Tierversuch gewonnenen Erkenntnisse auf den Menschen.<br />

Die Rattendiät <strong>und</strong> ihre Auswirkungen auf die Tiere setzte <strong>Kollath</strong> mit der<br />

üblichen, überwiegend industriell gefertigten Nahrung der Menschen <strong>und</strong> den Zivilisationskrankheiten<br />

Übergewicht, Diabetes <strong>und</strong> Bluthochdruck gleich. Gr<strong>und</strong> für diese<br />

Annahme bildeten die Ähnlichkeiten der Organveränderungen bei chronisch<br />

kranken Menschen <strong>und</strong> Tieren, die dem ausgebildeten Arzt aufgefallen waren. Doch<br />

selbst seinen Theorien gegenüber aufgeschlossene Wissenschaftler lehnten <strong>und</strong> lehnen<br />

diese Schlussfolgerungen ab. 20 Auch die Gr<strong>und</strong>annahme, dass Rohkost immer<br />

gesünder als behandelte Lebensmittel sei, ist heute wissenschaftlich widerlegt. 21<br />

Aus heutiger Sicht sind seine Ernährungstheorien überwiegend nur noch wissenschaftshistorisch<br />

interessant, wenngleich es vor allem im Bereich der Alternativmedizin<br />

immer noch überzeugte Anhänger der Lehre <strong>Kollath</strong>s gibt. Davon zeugt auch<br />

die kontinuierliche Neuauflage seines Werkes, allerdings in überarbeiteter Form,<br />

zuletzt 2005. Immerhin geht der Begriff „Probiotika“, der für ges<strong>und</strong>heitsfördernde<br />

Mikroorganismen (<strong>und</strong> ein milliardenschweres Geschäft der Lebensmittelkonzerne)<br />

steht, auf <strong>Kollath</strong> zurück, der ihn 1953 prägte.<br />

Doch zunächst brachte das Ende des Zweiten Weltkrieges einen tiefen Einschnitt<br />

in das Leben <strong>Kollath</strong>s, wie in das der meisten Deutschen. Mit dem Kriegsende wurde<br />

die Universität Rostock geschlossen <strong>und</strong> ihre Mitglieder in eine ungewisse Zukunft<br />

entlassen. Erst am 25. Februar 1946 wurde sie wieder eröffnet; allerdings befand<br />

sich <strong>Kollath</strong> nicht mehr unter dem Lehrkörper, denn im November 1945 wurde<br />

er aus politischen Gründen von der neuen Landesregierung entlassen. Er blieb aber<br />

zunächst noch Direktor des Medizinaluntersuchungsamtes <strong>und</strong> Seuchenkommissar.<br />

19 Melzer, Vollwerternährung 2003, 253.<br />

20 Watzl, Leitzmann, Kommentierung 2005, 298.<br />

21 Udo Pollmer, Susanne Warmuth, Lexikon der populären Ernährungsirrtümer. München 2006,<br />

324.

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