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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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Vor ein paar Jahren sind die Aufzeichnungen des Heidelberger „Arzt[es] für Innere<br />

<strong>und</strong> Erinnerungsmedizin“ Heinrich Hübschmann (1913-1995) aufgetaucht, der<br />

1942 nach Berlin fuhr, um eine Reihe von Hochschullehrern <strong>und</strong> Wissenschaftlern<br />

nach ihrer Situation <strong>und</strong> Befindlichkeit zu befragen. 1 Am 13. September 1942 ist<br />

Hübschmann bei dem Pädagogen Eduard Spranger in dessen Haus in der Dahlemer<br />

Fabekstraße zu Gast. Am Ende des Gesprächs, so das Gedächtnisnotat<br />

Hübschmanns, provoziert der Gast den Gastgeber mit der Feststellung: „Es ist doch<br />

vieles, was heute geschieht, einfach entsetzlich!“ Spranger antwortet mit größer<br />

werdenden Augen: „Seit fünf Jahren versuche ich irgendeinen Modus vivendi zu<br />

finden nach all den Kämpfen. Es war niemand da, der mich verstanden hätte. Und<br />

ich konnte unmöglich den Don Quichotte spielen.“ Er präzisiert: „Was hätte es für<br />

einen Sinn, das Schicksal Niemöllers zu teilen? Ich bin froh, wieder ganz in Ruhe<br />

arbeiten zu können. Besonders seit Kriegsbeginn wird man ganz in Ruhe gelassen.<br />

Ich bin jetzt völlig ungestört <strong>und</strong> kann ganz in Frieden leben.“ 2<br />

Sprangers Betonung von Ruhe, Gelassenheit, Ungestörtheit <strong>und</strong> Frieden [im<br />

Krieg] wirken so aufgesetzt, dass man wohl eher vom Gegenteil auszugehen hat.<br />

Und sicherlich lässt sich die Situation in Berlin in diesen Jahren nicht mit derjenigen<br />

Rostocks vergleichen. Das betrifft das Ansehen der Einrichtung ebenso wie die Haltung<br />

des Lehrkörpers. Eine hauptstädtische Hochschule sieht sich anderen Konflikten<br />

<strong>und</strong> Pressionen gegenüber als eine eher kleinere Einrichtung an der Peripherie.<br />

Dennoch dürften die Muster, mit denen auf einige Hochschullehrer politischer <strong>und</strong><br />

fachinterner Druck ausgeübt worden ist – wenn auch graduell verschieden – ähnlich<br />

gewesen sein. Different waren indes mit großer Wahrscheinlichkeit die individuellen<br />

Strategien, mit diesen Konflikten umzugehen.<br />

Rostock, im Juni 2012<br />

Gisela Boeck <strong>und</strong> Hans-Uwe Lammel<br />

1 Heinrich Hübschmann, „Wissen Sie noch einen Ausweg?“ Gespräche mit Eduard Spranger, Carl<br />

Friedrich von Weizsäcker, Gustav von Bergmann, Wilhelm Westphal, Wilhelm Bitter, Viktor von<br />

Weizsäcker, Theodor Litte <strong>und</strong> <strong>Werner</strong> Leibbrand (1942), in: Sinn <strong>und</strong> Form 64, 2012, S. 213-253.<br />

2 Ebd., S. 224.

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