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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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Kathleen Haack, Ekkehardt Kumbier<br />

zuvor in die „Aktion T4“ eingeb<strong>und</strong>en worden, sodass die zur Tötung vorgesehenen<br />

Patienten nun zunächst in den Zwischenanstalten 18 verblieben.<br />

Auch der für Rostock vorgesehene Transport kollidierte mit dem plötzlichen Aus<br />

der „Euthanasie“-Aktion. Und dennoch fand er statt. <strong>Der</strong> einzig hier bekannte Tötungs-Transport<br />

verließ die Klinik Rostock-Gehlsheim mehr als einen Monat nach<br />

dem Ende der „Aktion T4“. Am 29. September 1941 wurden mindestens 23 Rostocker<br />

Patienten durch die grauen Busse der GEKRAT abgeholt <strong>und</strong> in die Zwischenanstalt<br />

Uchtspringe gebracht. Ihre Namen befanden sich auf den in Berlin zusammengestellten<br />

Verlegungslisten. <strong>Der</strong> ehemalige Klinikleiter Professor Ernst Braun<br />

(1893-1963) gab in dem gegen ihn 1950 geführten Prozess zu, dass er „erriet […],<br />

dass es sich bei dem Fragebogenausfüllen um das Euthanasieverfahren, <strong>und</strong> bei den<br />

verlegten Personen schon um solche, die hierfür bestimmt waren, handelte.“ 19 Bekannt<br />

ist aber auch, dass Braun Patienten zurückgestellt hat. Wie viele es genau waren,<br />

ist bei der geringen Anzahl von nur 411 erhalten gebliebenen Krankenakten aus<br />

der Zeit nicht mehr nachvollziehbar. Zumindest waren es zwei.<br />

Zudem überlebten zwei Patienten des Rostocker „Euthanasie“-Transportes vom<br />

29. September das „Dritte Reich“. Zwei weitere wurden in die „Euthanasie“-Anstalt<br />

Hadamar (Hessen) verlegt, wo sie schon bald nach ihrer Ankunft starben. Die restlichen<br />

19 verstarben in Uchtspringe. Von dieser Anstalt waren zwischen 1940 <strong>und</strong><br />

1941 1.787 Menschen zur Tötung in die „Euthanasie“-Anstalten Brandenburg <strong>und</strong><br />

Bernburg gebracht worden. Außerdem sind in Uchtspringe zwischen 1940 <strong>und</strong> 1945<br />

etwa 500 Kranke durch Morphiumspritzen, Tabletten <strong>und</strong> Nahrungsentzug getötet<br />

worden, darunter mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Gehlsheimer Patienten. 20<br />

Ein ehemaliger Pfleger der Landesheilanstalt Uchtspringe sagte 1949 aus, dass auf<br />

Anordnung der Ärzte täglich mehrere Luminal-Tabletten verabreicht wurden, in deren<br />

Folge die Patienten an Atemlähmung bzw. Lungenentzündung starben. 21 Die so<br />

genannte „Dezentrale“ bzw. „Wilde Euthanasie“ wurde bis zum Kriegsende im Mai<br />

1945 durchgeführt. Es ist davon auszugehen, dass zudem viele der Patienten, die<br />

nach dem Ende der „Aktion T4“ von Rostock zum Schweriner Sachsenberg verlegt<br />

wurden, dort durch Tabletten oder Injektionen starben. <strong>Der</strong> auf dem Sachsenberg<br />

tätige Arzt Dr. Alfred Leu (1900-1975) hatte seit 1940 damit begonnen, Patienten<br />

systematisch mit dem als Schlafmittel verwendeten Barbiturat Veronal zu töten.<br />

Heute schätzt man, dass etwa 1.000 psychisch erkrankte oder geistig behinderte<br />

Menschen in Schwerin der gezielten Tötung zum Opfer gefallen sind. 22 Darunter<br />

18 In den meisten Fällen wurden die zur Tötung vorgesehenen Patienten nicht direkt in eine der<br />

sechs „Euthanasie“-Anstalten verlegt, sondern zunächst in so genannte Zwischenanstalten. Für<br />

Rostock war dies die Heil- <strong>und</strong> Pflegeanstalt Uchtspringe in der Altmark.<br />

19 BStU, AR 8.<br />

20 Kriemhild Synder, Die Landesheilanstalt Uchtspringe <strong>und</strong> ihre Verstrickung in nationalsozialistische<br />

Verbrechen. in: Ute Hoffmann (Hrsg.), Psychiatrie des Todes. NS-Zwangssterilisation<br />

<strong>und</strong> „Euthanasie“ im Freistaat Anhalt <strong>und</strong> in der Provinz Sachsen. Magdeburg 2001, 73-95.<br />

21 GStA Js 18/61.<br />

22 Andreas Broocks, Die Geschehnisse auf dem Sachsenberg im Rahmen des nationalsozialistisch-<br />

en Euthanasieprogramms. Schwerin 2007.

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