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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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Professor Hermann Alois Boehm 215<br />

Die Universität wollte sich damit auch der, „überaus wertvolle[n] wissenschaftliche[n]<br />

Kraft des Herrn Prof. Boehm“ 32 versichern. Boehm wurde dann allerdings<br />

Anfang des Jahres 1943 an die Universität Gießen berufen.<br />

Mit Beginn des Krieges hatte Boehm seine Tätigkeit in Alt-Rehse nur noch sehr<br />

eingeschränkt fortführen können, weshalb er selbst <strong>und</strong> auch parteiamtliche Stellen<br />

die Berufung auf einen Lehrstuhl im Reichsgebiet wünschten. Den Lehrstuhl in Gießen<br />

erhielt Boehm nicht etwa vor allem wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen,<br />

wie nach dem Krieg behauptet, sondern wegen interner Fürsprache <strong>und</strong> Intervention<br />

des Gießener Lehrstuhlinhabers Heinrich Wilhelm Kranz (1897-1945), der<br />

sein Lebenswerk in Gießen mit seiner Ausrichtung auf die praktische Erb- <strong>und</strong> Rassenpflege<br />

fortgeführt haben wollte. 33 Kranz selbst hatte in Gießen in Pionierarbeit<br />

sein Institut für Erb- <strong>und</strong> Rassenpflege ab 1934 aufgebaut. Es galt als Vorzeigeinstitut<br />

der nach 1933 neu ausgerichteten Medizinischen Fakultät. 34 Als radikaler Vertreter<br />

der Rassenhygiene engagierte sich Kranz in der nationalsozialistischen Zigeuner-,<br />

Kriminal- <strong>und</strong> Asozialenforschung, welche schließlich die bekannten Konsequenzen<br />

mit der Aussonderung <strong>und</strong> Vernichtung der Zigeuner hervorgebracht hat.<br />

Boehm allerdings arbeitete weniger auf diesen Gebieten; er interessierte sich gerade<br />

in seinen späteren Schriften vorwiegend für populationsgenetische <strong>und</strong> erbpathologische<br />

Fragestellungen. Doch zeigt die Analyse seiner Tätigkeit <strong>und</strong> seiner Arbeiten,<br />

dass er mit seinen fachlich exponierten Positionen in verschiedenen Universitäten,<br />

im ministeriellen Apparat des Staates <strong>und</strong> der gleichgeschalteten Standesorganisation<br />

eine Scharnierfunktion für die Verschränkung von Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis,<br />

von erbges<strong>und</strong>heitlich <strong>und</strong> rassistisch motivierter Bevölkerungspolitik des NS-<br />

Staates einnahm.<br />

Die Forschung: Populationsgenetik<br />

Im Interesse der Ausbildung von Studenten <strong>und</strong> Jungärzten auf dem Gebiet der Rassenhygiene<br />

suchte Boehm den neuesten Stand der genetischen <strong>und</strong> erbpathologischen<br />

Forschung mit einzubeziehen. Entsprechend seiner wissenschaftlichen Funktion<br />

als Leiter der erbbiologischen Abteilung der Deutschen Reichsärzteschule in<br />

Alt-Rehse wollte Boehm neben der Vermittlung der praktischen Rassenhygiene den<br />

Jungärzten die Aufgaben der experimentellen Erbforschung <strong>und</strong> auch populationsgenetische<br />

Fragestellungen (z. B. zur Ausbreitung krankhafter Erbanlagen in der<br />

Bevölkerung) nahe bringen. Dem dienten zum einen die praktischen Experimente in<br />

Alt-Rehse, die erwähnten Kreuzungsversuche mit Löwenmäulchen, zum anderen rekurrierte<br />

Boehm auf die Ergebnisse der Genetischen Abteilung des Kaiser-Wilhelm-<br />

Instituts für Hirnforschung in Berlin. Boehm, der zeitweilig Kuratoriumsmitglied<br />

32 Ebd., 127.<br />

33 Vgl. Sigrid Oehler-Klein, Emeritierung Boehms (wie Anm. 4), 204ff.<br />

34 Vgl. Sigrid Oehler-Klein, Das Institut für Erb- <strong>und</strong> Rassenpflege der Universität Gießen: Aufbau<br />

des Instituts <strong>und</strong> Eingliederung in die Universität, in: Gießener Universitätsblätter 38, 2005, 25-41.

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