Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 103 of 178<br />
und elastisch, sondern in der Not jenes Monats fest geworden; sie könnte nur noch zerreissen,<br />
überstehen würden sies nicht noch einmal. - Ich muss es so hart sagen. Du weisst selber, dass es so<br />
ist.<br />
Du fragst, ob ich gewusst habe beim Einpacken des <strong>Gritli</strong>anums, wie schön das Auspacken sein<br />
würde? Ja gewiss habe ich das gewusst - sogar nur das, vom Inhalt hat man ja so unmittelbar nachher<br />
keinen Begriff; und ich war in Wien ja nicht eher zur Ruhe gekommen, ehe ich das Papier gefunden<br />
hatte. Auch das braune Bändchen, das das Heften ersetzen musste. Ich hätte es gern heften lassen,<br />
aber ich hatte keinen schönen Faden und war auch schon durch Prileps durch, wo ichs von einem<br />
Einheimischen hätte machen lassen können; die deutschen Soldaten können ja leider alle lesen.<br />
Willst du es nicht noch nachträglich heften ? es sollen ja keine "Blätter" sein, sondern ein kleines<br />
Buch. Oder verträgt es das dünne Papier nicht?<br />
Die beiden Schöpfungsgeschichten in der Mitte, die der Welt und die des Menschen (die<br />
"Offenbarung" - dies ist eine ganz tiefe Einsicht von Cohen, die ich jetzt in meiner Weise<br />
umschreibe, Cohen schreibt: die Offenbarung ist die Schöpfung der Vernunft. Sein letzter Aufsatz<br />
(ein Resumée des betr. Kapitels des Buchs), der schon nach seinem Tod, nein kurz vorher noch, in<br />
den Monatshefen erschien, handelt davon) - also die beiden Schöpfungsgeschichten waren dir<br />
bekannt aus - dem Brief an Rudi, den <strong>Eugen</strong> ja kannte aber nicht in Gnaden aufnehmen wollte.<br />
Deswegen sind sie natürlich für mich jetzt grade das, was mir noch nachgeht, während das Schreiben<br />
natürlich vom Anfang und Ende her geschah.<br />
Die Einleitung geht weiter. Ich vermisse doch dabei bessere äussere Bedingungen; denn mit der<br />
Trance allein ist es hier nicht getan; die ist unter schlechten Bedingungen manchmal stärker als unter<br />
guten. Aber hier brauche ich notwendig viel Besonnenheit, und die leidet unter den ständigen<br />
Störungsmöglichkeiten und dem ganzen so tun als ob nicht. Es wird ein mixtum compositum, schon<br />
diese Einleitung: für Gelehrte zu menschlich und für Menschen zu gelehrt. So schreibe ich diesmal<br />
eigentlich für niemanden als für mich selbst. Aber schliesslich lohnt sich das auch schon, sich seine<br />
Philosophie für den Hausbedarf einzumachen. Hinterher hat man sie.<br />
"Hinterher" - und dabei bin ich noch in der Einleitung.<br />
Komm wieder, <strong>Gritli</strong>! es war schön heut mit dir.<br />
Dein Franz.<br />
28.VIII.[18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, also schon jetzt in Kassel! ich hoffe im Stillen, Ihr seid doch noch auf der Terrasse<br />
untergekommen, denn Platz ist ja. Jetzt war doch Hanna da, und grade in diesen Tagen muss Frau<br />
Cohen da sein, und grade um Mutters willen wünschte ich, dass ihr dem "Hause" die Reverenz<br />
machtet. Und ich möchte mir euch doch auch gern einen Augenblick im grünen Zimmer vorstellen<br />
dürfen. - Das "grüne Zimmer" - es ist eigentlich eine Kriegserrungenschaft für mich oder gar erst<br />
eine Urlaubserrungenschaft, früher war es mir gleichgültig; wohl erst durch dich habe ich ein<br />
Zuhausegefühl dafür gekriegt, und erst seitdem ist es - nun eben das grüne Zimmer.