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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 37 of 178<br />

nichts ahnte, hatte eine glänzende Diagnose gemacht: "zwischen Musiker und Arzt; Idealist (aber<br />

unangenehmer), Durchsetzer". Und zwar noch ehe sie das Orgelbild gesehen hatte, nur nach dem<br />

einen. Dagegen haben Edith und - Trudchen völlig instinktverlassene Diagnosen gemacht, die ich<br />

vergessen habe.<br />

Ob wohl der Turmhahn schon je auf den Hahn Petri gedeutet ist? oder heute gedeutet wird? Seine<br />

heidnische Vergangenheit würde ja nichts ausmachen. Aber es wäre eine aufregende Vorstellung, zu<br />

aufregend für den - Hausgebrauch. Freilich hat das Christentum ja auch das Kreuz im Hausgebrauch,<br />

und das ist noch aufregender.<br />

"Atheistische Theologie" ist natürlich "vor den Toren", aber nicht weil ich damals noch vor den<br />

Toren gewesen wäre, sondern weil es für den Druck geschrieben war. Und da würde ich heute noch<br />

nicht viel anders schreiben (Beweis übrigens: Zeit ists, das doch ebenso wenig an das Eigentliche<br />

rührt). Ich habe sonderbarerweise überhaupt die Vorstellung, dass ich mein Eigentliches, wenn es je<br />

zu Papier kommt, nur posthum veröffentlichen werde. - Kommt es jetzt bald zum Frieden, etwa in<br />

diesem Sommer (der Laubfrosch schläft zwar), so würde ich in eine ganz äusserliche, agitatorische<br />

und organisatorische, Tätigkeit für die Akademie gerissen werden - und gar nichts dagegen haben,<br />

für einige Zeit. Bradt spricht sogar von "Lebensarbeit" und "man erwartet von Ihnen" - er ahnt gar<br />

nicht den theoretischen Menschen in mir, weiss nur von dem aktiven: - so kann es einem gehn!<br />

Von den Cohenschen Blättern, die ich dir noch hätte schicken können, hättest du alleine nicht so<br />

viel gehabt wie von dem Stück, das du lasest. Die Offenbarung kommt vorher. Was er da sagte,<br />

kommt nicht mit mir überein; eher wird es noch umgekehrt kommen: ich werde mich ihm<br />

nachdenken. Mit der einen Predigt von Rudi hat es Berührung. Es gipfelt in dem Satz: Gott giebt die<br />

Thora wie er alles giebt, das Leben und das Brod und auch den Tod. - Entsinnst du dich nicht mehr?<br />

vom Februar her? - Wenn ich erst das Ganze im Druck habe, werde ich vielleicht, wenn ich es kann,<br />

ein Exemplar für dich "zurecht machen". Oder wir lesen Stücke daraus zusammen. Wann wird das<br />

sein?<br />

Wann?<br />

Dein Franz.<br />

11.4.[18]<br />

Liebes Grili, sag: hast du eigentlich dir je einen Vers daraus machen können, dass ich der Sohn<br />

meines Vaters bin? Während ich die Verwandschaft mit Mutter immer im Temperament gespürt und<br />

oft verwünscht habe. Und selbst äusserlich, im Gesicht u.s.w. Sag ganz einfach, wie dus gesehn hast,<br />

ob du überhaupt je daran gedacht hast.<br />

Es giebt solche Sprünge in der Vererbung. Die Vererbung geht durchaus nicht in der graden Linie.<br />

Auch Kinderlose vererben ihre Art auf die Familie und tauchen einmal irgendwo wieder in<br />

Seitenlinien auf. Das ist jetzt sogar gelehrte Theorie und augenblicklich die herrschende.<br />

Aber ist es denn so? Ich selbst habe mich ja immer gewundert. Was sagst du?

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