Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 72 of 178<br />
ja nur, dass der Kurs am 9. offiziell endet, ich also erst am 11. nachmittags von Dresden abfahren<br />
kann, auch wenn ich keinen Urlaub nach Kassel kriegte. In dem Fall würde ich also, da der Kurs<br />
inoffiziell mindestens schon am 8. endet, abends 11 hier abfahren, am 9. vormittags um 11 in Berlin<br />
sein, abends oder nachts in Kassel und den ganzen 10. dort. Kriege ich Urlaub, so wirds der 10.u.11.,<br />
und wenn der Kurs schon am 6. endet, was immerhin möglich ist, gar vom 8ten an bis zum 10. oder<br />
11. - Wann der Zug von Berlin nach Kassel geht, mit dem ich fahren kann - ich glaube erst Abends.<br />
Nun für alle Fälle noch etwas, da ich nun mal bei den Fahrplänen angekommen bin: in Dresden ist<br />
gewöhnlich um 12 etwa die militärische bahnamtliche Beanspruchung zu Ende und man ist bis 4<br />
Uhr, wo der Zug ungefähr geht, sein eigner Herr; und vor allem: man kann da gewöhnlich durch<br />
einen "Wink" erreichen, dass der Beamte, der die Fahrscheine um 4 begutachtet, erklärt, der Zug<br />
wäre schon besetzt und man möge erst am nächsten Tag um die gleiche Zeit wiederkommen, was<br />
dann auf dem Fahrschein bescheinigt wird. Also dies für den schlimmsten Fall. Aber eigentlich ist<br />
mir übel, indem ich dir diesen ganzen Fahrplan schreibe. Es wird ohne solche Schleichwege gehn.<br />
Denn so herrlich ein ganz ungeteiltes Beisammensein in Berlin oder in der Bahn oder gar in meinem<br />
Dresden wäre - es hat dennoch etwas Unmögliches, weil es geheim sein müsste, und grade das<br />
wollen wir <strong>Eugen</strong> nicht zumuten, obwohl es ihm zu innerst gar nichts ausmachen würde. Aber wir<br />
dürfen ihm nur das innerlich Übermässige zumuten, das - kannst du schon so viel? deinon, nicht das<br />
äusserlich "Unmögliche" im Sinne der Welt, das zu ertragen und zu tragen leicht, kinderleicht gegen<br />
das andre ist, aber - nicht lohnt.<br />
Genug, und schon zu viel Worte darum. Wir werden uns sehen. Mir ist, als strecktest du mir<br />
deine geöffneten Hände entgegen und ich senkte stumm mein Gesicht in die weichen Schalen. -<br />
Liebes, Liebes<br />
Geliebte -<br />
22.VI.[18]<br />
ich bin ja ganz Vertrauen - aber ich spüre jetzt, was ich allgemein immer wusste: dass das<br />
Vertrauen allein nicht genug ist zum Leben; der Glaube gehört noch dazu, die schmeck= und<br />
fühlbare Gewissheit. Es sind noch 14 Tage. Würde doch inzwischen etwas aus Trier. Alles in mir ist<br />
nur Wunsch und Hoffnung. Ich glaube ich bin selber ganz machtlos, ganz Erwartung.<br />
Auf wieder Sehen! und mehr als "wieder" - es ist mir nach diesen vergangenen Tagen - sie sind<br />
vergangen, glaub es ungläubiges Herz - es ist mir als würde ich dich neu sehen, zum ersten Mal. Ist<br />
ja auch recht, dass ich nun die stumpfe Ahnungslosigkeit, mit der ich voriges Jahr dir entgegenfuhr,<br />
büsse mit einem neuen "zum ersten Mal". O süsse Busse -<br />
Ich warte dein - Dein.<br />
24.VI.[18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, als ein Nachzügler kam dein Brief vom 18ten. Ich hatte in dem Brief vorgestern gar<br />
nicht gewusst, was die "Giftformel" war; nun weiss ich es - und verstehe es doch genau so wenig.