Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 133 of 178<br />
Vorsehung (also des zentralen Inhalts der Offenbarung gegenüber allem Heidentum; ohne Gottes<br />
Willen fällt kein Haar vom Haupte). (Die Möglichkeit der Weissagung ist der Beweis für die<br />
Wirksamkeit der Vorsehung Gottes). Daher die Wundersüchtigkeit, die Freude am Wunder, die bis<br />
ins 18.scl. die Theologie erfüllte. Bis dahin war wirklich das Wunder des Glaubens liebstes Kind.<br />
Und nun: Die Offenbarung ist ja das Wunder par excellence. Wodurch wird dies Wunder echtes<br />
Wunder für den Glauben, "Zeichen"? Weil es in der Schöpfung ganz und gar vorausgesagt ist!!! Der<br />
Mund dieser Weissagung hat die Philosophie zu sein. Tableau! Das ist doch schön? Die Schöpfung<br />
gewissermassen das A.T. der Offenbarung. Die Philosophie nicht ancilla Theologiae, sondern der<br />
Johannes, durch dessen Taufe Jesus erst der Christus wird. Die Offenbarung also nicht bloss<br />
Erneuerung der Schöpfung, sondern sie wird erst das Wunder, das sie ist, dadurch dass sie in der<br />
Schöpfung angelegt ist. Die Sprache ist allen Menschen anerschaffen von Anfang, und - nicht doch,<br />
sondern dadurch grade ist sie das Organon der Offenbarung; würde sie erst in der historischen<br />
Offenbarung hervorbrechen, so wäre es nicht die Offenbarung, die wir glauben, sondern ein<br />
heidnischer Spuk. - Das ist doch herrlich klar und doch nicht auszudenken, nichtwahr? Frag einmal<br />
<strong>Eugen</strong> (und dich selbst auch), ob ihm folgende Überschriften besser gefallen:<br />
Die Welt und ihr Geist<br />
Eine Metalogik<br />
Gott und seine Natur<br />
Eine Metaphysik<br />
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Der Mensch und sein Selbst<br />
Eine Metaethik<br />
Ach liebes <strong>Gritli</strong>, und wie gefällt dir diese Unterschrift:<br />
Dein Franz.<br />
9.10.18<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, gestern Abend habe ich meinem stark verschnupften Gehirn noch den Schluss der<br />
Einleitung abgezwungen und heute mit II 1 (oder soll man die "Bücher" besser durchgehend<br />
numerieren, erstes bis neuntes?) angefangen. Ich kam auf einen Schluss der mich erstaunte und<br />
rührte. Du weisst ja, dass ich das Gefühl hatte, schon länger, mindestens seit dem Rudibrief, mich<br />
mehr und mehr an Cohen heranzuschreiben, immer liberaler, oder, meinetwegen immer<br />
"rationalistischer" zu werden. Im Winter 13 auf 14, als ich ihn zuerst hörte, empfand ich seinen<br />
Rationalismus als das eigentlich Trennende. Denn ich selber trotz meiner Vereugenisierung trug<br />
doch immer noch allerlei Eierschalen von früher mit mir herum, und so eben das Misstrauen auf die