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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 166 of 178<br />

hier. Ich bin nun grad gut im Schreiben, jetzt beim 10 Maschinenseiten = Pensum angelangt. Aber<br />

nun bin ich auch wie ausgepumpt. Und das Komischste ist: ich weiss hinterher nicht mehr, worüber<br />

ich geschrieben habe; und was, natürlich erstrecht nicht.<br />

Bei Cohn gestern war es interessant und beinahe schön. Er ist eben doch ein feiner Mann. Man<br />

kann über alles mit ihm sprechen, wenn auch über alles nur beinahe die Wahrheit. Unter seiner Ruhe<br />

und Feinheit sitzt - Gott sei Dank - ein Eckkopf, kein sehr dicker, aber immerhin ein Eckkopf. Da ich<br />

ihn unwillkürlich noch immer als meinen Lehrer empfinde, so wundre ich mich kurioserweise noch<br />

immer über mich selbst, wenn ich mit ihm so auf gleich und gleich verkehre. Er will nun ("auch",<br />

denke ich natürlich) sein System schreiben und rechnet sich 5 Jahre dafür. Ich musste an mein -<br />

wahrscheinlich - 5 Monatskind denken. Ich verkniff mir aber, ihm davon zu erzählen; ich hätte es<br />

doch nicht gekonnt. Dennoch reizt es mich zu wissen, wie ein gelernter Philosoph es ansähe, aber ich<br />

habe ja Hans, der ja nebenher und gewesenermassen auch ein "gelernter" ist. Dagegen hätte ich<br />

wirklich Lust, ihm jetzt, nachdem ja an Veröffentlichung nicht mehr zu denken ist, ihm das blonde<br />

Putzianum zu schicken, ich werde am Dienstag davon anfangen. Durch den * und den<br />

Zusammenbruch (das Wort Revolution ist blauer Dunst um die Wahrheit) ist mir ja alles Vergangene<br />

wirklich vergangen gewordenl Selbst auf Marxens Brief mag ich nicht antworten; bitte treib mich in<br />

Kassel dazu.<br />

- In Kassel! Ist es nicht verrückt? ich sitze hier unten und komme nicht ab. Dabei bin ich<br />

nachgrade sicher: das Arbeiten wird auch in Kassel gehen; ich fürchte mich jetzt eigentlich nur vor<br />

der Unterbrechung in II 3, denn danach wäre es wieder ein von vorn Anfangen. - Mit nach Kassel<br />

Cohn hatte - ich weiss nicht mehr was ich hatte, denn da kam Kähler, und als wir schon länger<br />

zusammen waren kam ein mir früher flüchtig bekannter Philosophieprivatdozent Marck[?] aus<br />

Breslau, den J.Cohn auf mich gehetzt hatte, weil er grade auf dem Durchmarsch hier war. Und<br />

Kähler misshandelte ihn so unglaublich, schnitzte sich statt ihn zu hören mit ein paar groben<br />

Schnitten das "typische" Bild aus ihm zusammen und hieb dann auf dies Bild ein, - dass mir wieder<br />

angst wurde. Und es war immer besser zwischen uns geworden. Und dennoch steht dies zwischen<br />

uns, mehr zwischen ihm und mir, als zwischen mir und ihm. Er war selbst erschrocken hinterher.<br />

Es ist nun ganz spät, und dieser lange Brief ist wieder nur ein kurzer geworden. Aber heute<br />

schreibst du mir ja wieder. Ich werde es ja sicher noch hier kriegen. Würdest du mich hier<br />

aushungern, - es wäre das sicherste Mittel dass ich schleunigst nach Kassel führe. Aber du schreibst<br />

ja - -<br />

Dein Franz.<br />

25.XI.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, ich bin wirklich "müde und ausgeleert", wie ich eben an Mutter schon schrieb, und<br />

fange deshalb auch an dich gleich nur auf diesem kleinen Format an. Eigentlich ist Schreiben eine<br />

mörderische Tätigkeit; es bleibt nicht viel von einem übrig. Darum freue ich mich auch auf den<br />

Augenblick wo ichs fertig habe, und schreibe, was an mir liegt, so bald kein Buch wieder, - wüsste<br />

auch nicht was. Höchstens den grossen Aufsatz über Cohens Buch, aber das ist ja nur ein Aufsatz.

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