09.10.2013 Aufrufe

Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 96 of 178<br />

ist also das übereinstimmende eine Spaltungsprodukt zweier benachbarter Spitzen,deren andre<br />

Spaltungsprodukte jeweils mit andern Spitzen zusammenhängen. Aber genug davon; es ist schon<br />

mehr als du verstehen kannst. Wenn ichs schreiben werde, wirds ganz leicht, - vorausgesetzt dass ich<br />

die Übersetzungsschwierigkeiten überwinde. Eigentlich muss nämlich jeder Stern in einer eigenen<br />

Sprache beschrieben werden, hebräisch, lateinisch, deutsch - und so ist es auch in dem ersten<br />

Entwurf gestern und heute geschehen. Nur für den Anfang bleibt die mathematisierende<br />

Symbolsprache des Rudibriefs. Die Mathematik ist ja die Sprache vor der Offenbarung. Erst in der<br />

Offenbarung wird die Sprache der Menschen geschaffen. Deshalb sind die Punkte des<br />

Schöpfungsdreiecks ...[Zeichnung] nur mathematisch zu fassen; die des Offenbarungsdreiecks,<br />

wenn sie, wie hier nötig, vom Schöpfungs..[Zeichnung] her entwickelt werden sollen, auch. Im<br />

fertigen Stern der Erlösung treten dann aber die Menschenworte dafür ein, denn nun ist ja die<br />

Offenbarung da, und nun sind die mathematischen Symbole auch für die bisher schon gefundenen<br />

Punkte nicht mehr nötig. Das eigentlich Fruchtbare und Neue am Rudibrief, das was auch dir damals<br />

den Eindruck machte, die Lehre vom Menschen sans phrase und Palmen-zweig, ist mir auch erst<br />

jetzt klar geworden. So wie es eine Metaphysik giebt, nämlich eine Wissenschaft die von Gott<br />

handelt ganz gleichgültig ob er jemals die Welt geschaffen hat oder nicht, von Gott ganz für sich,<br />

von Gott als wenn er nicht der Herr und Schöpfer der "Physik" wäre sondern selber seine eigene<br />

Physik hätte, und so wie Hans eine Metalogik macht, eine Wissenschaft von der Welt ganz<br />

unbekümmert um ihr (der Welt) Verhältnis zu einem etwaigen Denken, einem Logos, sondern im<br />

Gegenteil diesen Logos selbst als ein Stück Weltinhalt fassend statt als Weltform, so habe ich da eine<br />

Metaethik aufgestellt, eine Lehre vom Menschen, der nicht unter Gesetzen u. Ordnungen steht, für<br />

den keine Ethik gilt, sondern dessen Ethos wenn er eins hat ein Stück seines blossen Daseins, seiner<br />

wüsten Natur wäre. Diese Meta = Wissenschaften schreiten den ganzen Kreis derSchöpfung aus, den<br />

werdefreien (aphysischen) Gott, die begriffsfreie (alogische) Welt, den sittefreien (aethischen)<br />

Menschen. - Aus diesem Dreieck der Schöpfung als Daseins wird nun das Dreieck der Offenbarung<br />

als des Worts hervorge-zwungen, etwa so wie im Rudibrief, wobei die Schöpfung nun natürlich<br />

wieder vor-kommt und jetzt eben als zum Worte gekommenene Schöpfung, als redender und<br />

beredbarer Kosmos, statt des stummen und tauben dreifachen Chaos des ersten Dreiecks; aber nun<br />

nur ein Dritteil, nicht mehr selber das Ganze. (Und in dem inneren Stern der Erlösung nachher<br />

wieder, aber nun nur noch als ein Sechsteil, etwa als "diese Welt". So wie auch die Offenbarung<br />

dann wieder vorkommt). Der langen Rede kurzer Sinn sollte ja nun bloss sein, dass mir gestern dabei<br />

plötzlich das <strong>Gritli</strong>anum (so heisst es natürlich) einfiel und ich merkte, dass ich da auf der engen<br />

Bühne des Mikrokosmos nur das Stück habe nachspielen lassen, das sich in Wirklichkeit im Grossen<br />

zwischen Mensch und Welt im Schöpfungsdreieick abspielt. Im Mikrokosmos, also mikroskopisch<br />

gesehen und also manches intimer gesehen als mit blossem Auge, aber auch manches ohne den<br />

Zusammenhang, den richtigen, eben weil mikroskopisch isoliert.<br />

Und nun will ich noch an <strong>Eugen</strong> schreiben. Dass ich ihm grade das astrologische Buch<br />

geschickt habe, war doch auch ein guter Instinkt für die Gleichzeitigkeit. - Wegen des<br />

Zusammentreffens mit Schweizer rechne ich auf das "brave" <strong>Gritli</strong>. - Morgen beginnen die<br />

Skatnächte und rettugslos dann auch die Mittagsschläfe. Ich fürchte, ich werde wenig von dieser<br />

Ernte einfahren können; vielleicht ists aber ganz gut, wenn sie noch einmal verfault. Mein Gefühl ist<br />

aus Misstrauen und Zuversicht ziemlich zu gleichen Teilen gemischt. -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!