Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 154 of 178<br />
Idee. Wenn ich das was ich und <strong>Eugen</strong> und ... und ... und .......wollen, mit einem ismus reimen<br />
wollte, so wäre es "Faktizismus". Aber "Gott sei Dank" giebt es ja dafür das deutsche Wort Glauben.<br />
Für Idealismus kann man eben nicht "Glauben" sagen.<br />
Mir ist erst aus Rudis Brief, und dann ja allerdings auch aus <strong>Eugen</strong>s an mich, klar geworden,<br />
wie sehr er sich weiter dem Katholischen nähert. Ihm könnte ich ja nicht darüber schreiben, so wenig<br />
wie er mir sans phrase darüber schreiben könnte. Mir sind ja an sich die beiden Konfessionen<br />
gleichwert; vielleicht hat mir "Volksst. u. R.G." grade deshalb keinen solchen Eindruck gemacht,<br />
weil ich das Verhältnis von Katholisch und Protestantisch längst so sah, wenn auch mit anderer<br />
Begründung. Ich sehe die Frage nur in Bezug auf <strong>Eugen</strong>. Und da wünschte ich, ihm bliebe dieser<br />
Ruck erspart mit all den inneren Verhärtungen, Masken und Zwängen, die er ihm (nicht weil zum<br />
Katholischen, sondern als Ruck überhaupt) auferlegt. Sieh einmal: im Grunde will <strong>Eugen</strong> doch nur<br />
mehr Tradition, mehr Selbstverständlichkeit, mehr "Tatsächlichkeit" um sich spüren als er im<br />
Protestantismus gefunden hat; und das meint er nun im Katholizismus zu finden. Aber in Wahrheit<br />
findet ers da auch nicht (die beiden Kirchen sind ja gleich alt - Paulus und Petrus! denk an die<br />
Essgeschichte in der Ap.Gesch.). Er kann es nirgends finden. Das findet man nur, wenn man es nicht<br />
sucht, sondern hat. Wäre er Jude geblieben, so würde ers gefunden haben. Nun er Christ geworden<br />
ist, müsste er in der Konsequenz dieses Schrittes bleiben, d.h.: da er nie traditionsgebundener<br />
Binnenchrist werden kann, freier, nur auf seinem Sattel geltender Grenzerchrist werden. Grade in<br />
seiner Freiheit, in seiner Ich=E.R.=heit wirkt er und ist er echt. Je dogmatischer er, in Religion wie in<br />
Politik, auftritt um so - unechter wirkt (und ohne es zu wissen auch: ist er). Wird er wirklich formell<br />
katholisch, so muss er sich auf soviele Hinterbeine setzen, wie er nicht hat; er hat auch nur zwei wie<br />
jeder Mensch. - Bei Rudi liegt die Sache durch seine Ehe anders. Und vor allem wäre es bei ihm das<br />
erste Mal. Einmal umziehn, das kann jedem passieren und jeder überstehts.<br />
Aber "zweimal umgezogen ist einmal abgebrannt", das Spruchwort gilt auch im Geistig= und<br />
Geistlichen. Nun habe ich mir etwas, was mir dumpf drinnen brummte, ins Freie geschrieben. Es<br />
leuchtet mir selber ein.<br />
Gute Nacht - -<br />
Gute Nacht. Dein.<br />
14.XI.[18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, es ist drollig, mit was für einem vergesslichen Kopf ich den * schreibe; ich kenne<br />
eigentlich immer nur die Partie, die ich grade schreibe; und dennoch geht alles zusammen, und ohne<br />
klares Bewusstsein davon mache ich fortwährend die nötigen Vor= und Zurückweisungen. Das Buch<br />
schreibt sich eigentlich selbst; so rund war die erste Konzeption; ich selber bin nur der jeweils für<br />
das Tagespensum beauftragte Mandator. Es ist ja das was ich dir gestern schrieb: dass mir erst an<br />
Rudis Inhaltsangabe meines Briefs von jetzt vor einem Jahr mein "ismus" aufgegangen ist.<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, ich bin heut morgen so vergnügt, dass ich beinahe mit II 2 fertig bin, dass ich vor<br />
lauter Vergnügtsein - nicht fertig werde. Ich muss mich heut aus Brotmangel in der Kaserne melden<br />
und werde dann wohl in den nächsten Tagen Wachen u. dergl. Dienst machen müssen. Ich will aber