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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 17 of 178<br />

eben die Einfachheit. Und was sie auch nicht haben können, sowie sie eben bei Einzelfragen bleiben.<br />

Der Katholizismus kann nur "katholisch", nur als Ganzes gesehn werden; jedes Herausgreifen eines<br />

Einzelnen führt zur Karrikatur. Und dies Ganze ist hier da und daher die Wahrheit bis ins Innerste.<br />

Nochmal Dank.<br />

Dein Franz.<br />

16.III.[18]<br />

Liebe, "schade" sage ich auch, aber eigentlich mehr dass du es alleine hast lesen müssen; das geht<br />

eben wohl doch nur mündlich. Alleine hast du dich wie du selber ja fühltest, verstiegen; ich will<br />

sehen, dass ich dich von dieser Martinswand wieder heruntertrage. Am Fremden das Eigene<br />

erfahren, das geht ja immer so. <strong>Eugen</strong> zitiert (ich weiss nicht woher): nur aus dem Fernsten kommt<br />

die Erneuerung. Ich habe ja auch ursprünglich am Christentum das Judentum begriffen; das<br />

Selbstverständliche hört eben durch das Andre auf "selbst" = verständlich zu sein und wird so<br />

verständlich. Aber aber - ich weiss von mir selbst her, wie man dabei doch in Gefahr ist, das was<br />

einem selbstverständlich ist, unwillkürlich auch in das Fremde hineinzusehn. So ist es mir bis zu<br />

jener Leipziger Nacht (es ist das die wissenschaftliche Seite des damals Geschehenen) mit dem<br />

Christentum gegangen: ich liess es nur als ecclesia pressa gelten und schon die militans, erst recht<br />

die triumphans waren mir Entartungen; das Jahr 313, wo es Staatsreligion wird, ein Abfall. So gab<br />

ich der wahren Kirche das Gesicht der Synagoge. Nun hör: Monotheismus ist natürlich ein<br />

schreckliches Wort, und Cohen grenzt allerdings damit das Judentum gegen das Christentum ab, wie<br />

es jeder Jude tut, der das Bekenntnis sagt. Die "13" Eigenschaften sind ja eben keine 13, sondern<br />

diese offenbar sonstwoher heilige Zahl wird gewaltsam in die Stelle hineingedeutet, indem z.B. der<br />

doppelte Anruf des Gottesnamens zu Anfang als zwei "Eigenschaften" gezählt wird - Gottes Liebe<br />

ehe und nachdem der Mensch gesündigt hat - u.s.w. Es sind eben doch alles nur Umschreibungen der<br />

einen dem Menschen einzig erreichbaren Eigenschaft Gottes, der Liebe. Alles andre, die<br />

"Eigenschaften seiner Gerechtigkeit" bleiben dem Menschen immer dunkel. "Wie Er barmherzig ist,<br />

so sei du es" sagt der Talmud, aber nicht "wie Er gerecht, so sei dus". Du siehst aber: da ist nichts zu<br />

vergleichen. Sondern dem jüdischen "Einzig" entspricht das "Christus allein", das "sola fide" der<br />

Reformation. Um dessentwillen ist das Christentum "Monotheismus". Was ist denn das Wesen des<br />

Heidentums? Dass man vor einem Gott beim andern Schutz findet. Der Euripideische Hippolytos<br />

dient der Artemis und beleidigt dadurch die Aphrodite, Orest gehorcht dem Apollon und erweckt die<br />

Eumeniden. Das ist nun, wenns nichts Schlimmeres (nämlich Davonlaufen) ist, das was wir auf der<br />

Schule bei Max Pikkolomini u.s.w. als "Konflikt der Pflichten" kennen gelernt haben. Eben diesen<br />

Konflikt kennt die Offenbarung nicht, weil sie den unbedingten fraglosen einzigen Befehl in den<br />

Menschen schleudert (denk an die Worte vom Zurücksehn und vom Totenbegraben). Darin also<br />

giebt das Christentum dem Judentum nichts nach. Und deswegen verwehrt das offizielle rabbinische<br />

Judentum seit langem, den Begriff des "Götzendiensts" auf das Dogma von der Dreieinigkeit zu<br />

beziehen. Ja und? Es bleibt dennoch ein grosser, ein unüberbrückbarer Unterschied, nicht im Gefühl<br />

– das kann gleich stark sein, ob einer nun "allein" oder "einzig" sagt - aber im Ziel des Gefühls. Das<br />

jüdische Einzig zielt auf Gott selbst ,auf den Vater unmittelbar ohne etwas dazwischen, das<br />

christliche Allein bleibt auf halbem Wege stehn, bleibt eigentlich in der Welt, und es ist die ganze

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