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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 171 of 178<br />

behalten hätte. Und dann das Haus. Es ist eben doch ein wirkliches "Haus" und wenn es für dich<br />

früher keins war, für <strong>Eugen</strong> muss es doch jetzt wie ein Adoptiv = Elternhaus werden, wo sein eignes<br />

auseinandergefallen ist. Ich war in allen Zimmern herum, habe ein paar Stunden oben in Eurem<br />

Zimmer bei dir geschmökert - alle meine masslos indiskreten Widmungen vom Februar stehen da<br />

herum - es ist beruhigend zu wissen, dass du die wenigsten von den vielen Büchern gelesen hast, wie<br />

könnte man sonst noch den Mut finden, neue für dich zu schreiben. Und zahllose Bilder von dir und<br />

den andern gesehn, unter allen aber nur eins, das ich kriegen muss, das 14 jährige mit einer<br />

Schwester zusammen, ein richtiges Fotografenbild, ein Kreuzchen das die Schwester trägt ist dir vor<br />

die Schulter gerückt, du selbst trägst ein Herzchen. Du bist grade aufgewacht darauf und aushäusig<br />

geworden - gehe heraus aus deinem Hause und deiner Verwandschaft... - und draussen sind wir uns<br />

ja begegnet. Und die Zwillinge sind herrlich, beide. Hedi ist ja schon so wie sie bleiben wird - und<br />

sie kann so bleiben, aber Marthali ist noch unaufgeschlossen. Man ist gleich zu dreien mit ihnen, und<br />

möchte Ihnen am liebsten gleich du sagen. Der Vater hat mir gefallen, aber ich konnte nichts mit ihm<br />

anfangen, suchte auch immer nach irgend was von dir in ihm und fand gar nichts. Von den<br />

Zwillingen hat Marthali etwas von dir. Aber vor allem doch die Mutter. Ich habe immerfort an dich<br />

denken müssen, und als ich fortfuhr war ich so voll Sehnsucht, dass ich am liebsten mit einem<br />

Sprung auf der Terrasse in Kassel gestanden hätte und heute morgen über die abermalige<br />

Verzögerung wirklich selber wütend war; es ist ja, wo ich das Übergangskapitel noch nicht<br />

angefangen habe, nichts was mich etwas hier beschwert, dass ich sitze, - ich bin nur ein einziges<br />

Auffliegen und Händeausstrecken - und bis dieser Brief ankommt, sind es wohl nur noch wenige<br />

Stunden und die ausgestreckten Hände fassen zwei andre Hände und mein Mund küsst deinen --------<br />

liebes liebes Geliebtes<br />

23.XII.18.<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, nun muss ich dir wieder schreiben. - Gestern als ich von der Bahn kam, ging ich<br />

zuerst herauf ins grüne Zimmer und als ich an der Tür stand, hatte ich die unabweisliche Vorstellung,<br />

wenn ich aufmachte, müsstest du auf dem Sofa sitzen. Ich war wirklich enttäuscht, als dann alles leer<br />

war. Rudi blieb bis heute früh. Nachmittags rief sein Vater aus Leipzig an und zwar - wegen <strong>Eugen</strong>.<br />

Er wollte wissen, ob <strong>Eugen</strong> die Rechtsgeschichte lesen wollte, da er (Viktor) es gleich dem Dekan<br />

mitteilen müsste. Ich gab <strong>Eugen</strong>s Jawort in seiner Stellvertretung; es war eine gewisse Frechheit,<br />

denn aus Onkels Frage ging hervor, dass es sich nicht, wie wir meinten, um eine zweistündige,<br />

sondern um eine täglich zweistündige Vorlesung (ich nehme an: 1 Stunde Vorlesung, 1 Stunde<br />

Repetitorium) handeln würde. Also <strong>Eugen</strong>s Besorgnis, den Stoff zusehr fressen zu müssen, ist<br />

unnötig. Und Geld kann er da mit Leichtigkeit mehrere Tausende verdienen, denke ich. Und ein<br />

Vertrauensvotum der Fakultät ist es auch. Aber natürlich - es wird ihn ziemlich in Anspruch nehmen.<br />

Nun musst du also nur dafür sorgen, dass er auf jeden Fall hingeht und nicht etwa noch zurückzuckt.<br />

Ob du ihm gleich mit den 12 Wochenstunden ins Gesicht springst oder ihn noch eine Weile damit<br />

verschonst, musst du selber wissen. Ich glaube immerhin, es ist besser, er gewöhnt sich bald an den<br />

Gedanken, damit sein innerliches Darandenken gleich in die richtige Bahn kommt; denn für eine<br />

grosse Vorlesung kommen einem unwillkürlich andre Einfälle als für eine kleine.<br />

Hans war den Nachmittag und wieder Abends da; aber ich verkroch mich eine Zeitlang mit

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