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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 23 of 178<br />

Schade. Anfangs dachte ich, ich würde nichts für die Öffentlichkeit über ihn schreiben können, jetzt.<br />

Aber dann kam der Cassierersche Artikel, den ich dir schickte und da - facit indignatio versum.<br />

19.4.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, die Erfahrung selber habe ich längst gemacht gehabt, eben wirklich gehabt und<br />

mich damit abgefunden. Aber doch immer nur den Eltern gegenüber; und jetzt wo Mutter alleine<br />

war, kam mir alles so neu vor, dass ich meine alte Abgefundenheit vergass. Auch wohl vergessen<br />

musste, denn es war eben eine augenblickliche Not, wo man denkt, es müsse sofort etwas geschehn.<br />

Auf meinen Brief hat sie mir ungefähr zurückgeschrieben, es wäre ein sehr schöner Brief gewesen<br />

und ein hoher Standpunkt u. dergl. Aber ich war ja darauf gefasst, und vielleicht wenn sie ihn je<br />

wirklich brauchen sollte - und er war ja eigentlich nur für diesen äussersten Fall gemeint - wird sie<br />

sich doch daran erinnern und dann wird er ihr vielleicht helfen. - Man ist ja wohl immer machtlos,<br />

wenn man "will". Aber hier freilich ganz besonders. Dabei, es ist ja so gar nicht das Übliche: ich will<br />

ja nicht selber gehört werden, ich will doch nur dass sie vernimmt. Aber schon das ist "gewollt". -<br />

Du darfst auch mit <strong>Eugen</strong>s Depression nicht viel "wollen". Ansprache von aussen wäre doch nur<br />

Betäubung. Ists wirklich ein Altersruck, so musst du es eben rucken lassen, schieben kann da<br />

niemand, auch du nicht. Bloss halten kannst du ihn, halten und nochmal halten. - Ich habe ihm auf<br />

seinen Brief gleich zweimal geschrieben, aber Ansprache von aussen ist das ja nicht, und die brächte<br />

ich auch nicht fertig. Ich bin ihm nun nicht aussen genug. (Leider, müsste ich hier wohl sagen, in<br />

diesem Zusammenhang, - aber ich kann es nicht sagen, sondern nur: Gott sei Dank).<br />

Ich sitze nicht mehr in dem Loch am Rande der grossen Ebene, sondern mehr in den Bergen drin.<br />

Liebes,<br />

Dein Franz.<br />

21.IIII.[18]<br />

ich bekam deinen Brief aus Freiburg - manchmal ist der Zeitabstand doch spürbar: den Brief aus<br />

der Bahn, auf den du antwortest hätte ich inzwischen manchmal mir selber schreiben müssen. Aber<br />

auch deine Antwort darauf. Ja und wirklich ja. So zupft das Ich das Du an der Nase und wird gezupft<br />

- "zu lernen und zu lehren". Ist es nicht merkwürdig dass Cohens Namensvetter Jecheskel (denn sein<br />

jüdischer Name ist Jecheskel - "dass ich Jecheskel der Soundsovielte kommen musste, um Jecheskel<br />

den Ersten zu rehabilitieren" sagte er mir im Januar -, auf der Chaislongue liegend, weil es der Arzt<br />

befohlen hatte - und jubelte mir dann Hes.18,31 vor), also dass auch wieder dieser Entdecker der<br />

Einzelnen Seele es war der auch die wechselseitige Verkettung dieser Seelen (33,2-9) zuerst<br />

ausgesprochen hat? Die bewusstlose Gestalt in der diese Verkettung zuvor da war, die Gemeinschaft<br />

der gegenüber der Mensch gar nicht wusste, dass er Einzelner war, diese bewusstlose Gestalt hat er,<br />

sollte man denken, zerstört, indem er aussprach, dass "die Seele sündigt"; und grade er stellt sie nun<br />

auf dem neuen Menschenbegriff wieder neu her, in der "Sünde des Bruders" für die ich<br />

verantwortlich gemacht werde. Er löst das Volk zu Seelen auf und dann baut er es aus Seelen neu.<br />

Wie ist aber nun das? Else, Hansens Frau, schreibt meiner Mutter (und auch mir schon

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