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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 97 of 178<br />

Dein Franz.<br />

22.VIII.18.<br />

Lieber <strong>Eugen</strong>, mir ist ja Nietzsche nie wichtig gewesen, ausser wenn ich speziellst über "unsre<br />

Zeit" (= 1886 - ?) nachdachte. Sonst hat mir diese Rolle des falschen (bzw. richtigen) Buchs Goethe<br />

gespielt (und später der Einfachheit halber Hegel. Daher mein Verabsolutieren von "1800", deins von<br />

"1914". Wir meinen damit das Gleiche, (wie ich schon in Montmedy merkte).<br />

Das <strong>Gritli</strong>anum ist auch Montmedyer Ursprungs. Es ist "dualistischer" ausgefallen als ich damals<br />

dachte. Ich wollte damals das Schreib = Experiment machen, ob ich von deinem + Weizsäckers<br />

Naturbegriff überzeugt wäre. Nun geriet es durch das Tag - Nacht = Aperçu (es war bloss ein<br />

Aperçu, ich lag im Bett und war grade aufgewacht, und so sagte ich es vor mich hin) also nun geriet<br />

es von vornherein ins Scheiden und Entzweien. Der Titel "von E. u. E." [Von Einheit und<br />

Ewigkeit] ist frelich arg verblasen, aber wie der Inhalt selber auch, den er infolgedessen ganz gut<br />

bezeichnet. Wollte man ihn pointierter bezeichnen, so müsste man die Pointe herausgreifen und es<br />

nennen: Der Schrei. - Vom Ende der Tage geht nicht, weil es ja ebensosehr auch von Mitte und<br />

Anfang der Tage handelt. Der eigentliche Titel aber ist das Motto. Und deshalb kommt es auf den<br />

"V. E. u. Ewigk." nicht an. Das "Publikum" ist ohnedies an einer Hand abzuzählen, nämlich ausser<br />

euch noch Rudi und ev. Trudchen Oppenheim. Schon Hans würde es nicht interessieren. Es ist ja<br />

eben doch nur ejpoı (schon das ist beinahe mehr zugestanden, als ich von dir erwartete) und gar nicht<br />

opus. Auch was seit gestern wieder in mir rumort, ist nicht opus, sieht aber doch wenigstens so aus.<br />

Wie mein opus einmal aussehen wird, weiss ich nicht im geringsten. Aber was jetzt bei mir entsteht,<br />

kann noch nicht opus sein, sondern immer nur Vorübung oder Voruntersuchung. Das weiss ich so<br />

bestimmt, dass ichs mir nicht ausreden lassen kann.<br />

Leib – Geist [daneben, über folgende Zeile hinaus]<br />

Seele [großes Fragezeichen] Ich habe ja den Geist absichtlich draussen<br />

gelassen (die These "Natur ist gestorbner Leib, Geist gestorbne Seele" ist sogar eine richtige kleine<br />

Entdeckung). Das hat sich insofern gerächt, als die Seele bei mir etwas stark geistige Züge<br />

angenommen hat; etwas viel Bewusstheit. Was du entseelten Geist nennst, müsste ich in der Sprache<br />

des <strong>Gritli</strong>anums "entleibte", "unleibhaftige" Seele nennen. (Denk an Augustinus Antithese des<br />

stoischen Sapiens und des Christen nach den Selbstaussagen des Paulus,oder an die Tertullianstelle<br />

die ich dir mal schrieb: "Christus u. die Apostel zürnen u. begehren"). Die leibhaftige Seele und der<br />

seelenhafte Leib werden ja einmal eins sein trotz der antithetischen Worte. Das Wort in dem die<br />

beiden Getrennten zusammenschmelzen, ist kein Etwas was über sie beide greift, sondern ein Wort,<br />

das sie selber sprechen, das Wort der Liebe. Eben deshalb konnte ich die Konstruktion mit den drei<br />

Etwassen<br />

Leib - Geist<br />

Seele nicht brauchen. Der Gegensatz versöhnt sich in sich selbst, oder besser vielleicht: im<br />

Angesicht des Vaters (der aber doch auch kein Etwas ist). Werden Mensch u. Welt durch einen<br />

übergreifenden Begriff versöhnt? Nein, sondern wieder durch die Liebe und im Angesicht des

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