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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 61 of 178<br />

Deinem Franz.<br />

[?27.V.18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, ein paar Worte doch noch vor dem Schlafengehn - es ist mir un = heimlich, dir drei<br />

Tage nicht geschrieben zu haben.<br />

Aus einem Kolportageheftchen mit Geschichten vom Baalschem, mitten in einer ziemlich<br />

massiven Wundergeschichte: "... denn er machte aus allem Verborgenen ein Offenbares und aus<br />

allem Offenbaren ein Verborgenes ..." Das ist die Dedektiv oder Indianergeschichtenlitteratur dieser<br />

Menschen - denn mit der muss man es zusam-menstellen. Ich wusste ja, was ich jetzt sehe, aber ich<br />

stehe doch starr davor, die Wirklichkeit ist doch immer wieder etwas Ungeheures. Glaub nichts, was<br />

du von allem hörst und was ich selber bisher mindestens als "auch vorhanden" annahm - es giebt<br />

nichts "Verborgeneres" als das "Offenbare".<br />

Dein - im Offenbaren und Verborgenen -<br />

Franz<br />

28.V.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, auch heut wieder nur ein Gruss vor Schlafengehn; die Zeit langt nicht zu mehr.<br />

Dabei platze ich von Antwort. - Deinen Brief mit dem Plan der Georgsreden kannst du natürlich<br />

heraussuchen. - Wiltfeber ist wohl schon bei <strong>Eugen</strong>. Ob du ihn auch lesen wirst? wart einmal auf<br />

<strong>Eugen</strong>; ich dachte beim Lesen nur an ihn, gar nicht an dich; so war es mir nur natürlich, ihn gleich an<br />

ihn weiterzuschicken. - Dir muss ich noch ganz rasch etwas von Warschau schreiben: ich fand die<br />

erste jüdische Bibelübersetzung und Gebetbuchsübersetzung - und natürlich eine Übersetzung ins<br />

Jüdische; wie hätte es anders sein können. Ein Gebetbuch mit den Psalmen drin; die paar Stellen, die<br />

ich suchte, waren so erschütternd jüdisches Deutsch, dass ich es gleich kaufte. Niemand weiss von<br />

wem die Übersetzung ist; ich habe viele Leute gefragt. Ich glaube es ist das - kennst du Luthers<br />

Traktat vom Dolmetschen? (Reklam!) (ganz kurz). Da schimpft er auf die "Esel" die gratia plena<br />

übersetzen "voller Gnaden", man müsse der Mutter und dem Kinde auf der Gasse aufs Maul kucken<br />

und übersetzen: gegrüsst sei du liebe Maria. Aber er selber als es Ernst wurde übersetzte dennoch,<br />

sehr sprachmeisterlich, aber eben Meister, nicht mehr Volk,: du Holdselige. Hier aber ist die<br />

Übersetzung ganz Volk geblieben, ganz "Gasse" und "Stübel". Es ist so selbstverständlich, dass es<br />

das geben musste, und doch war ich nicht darauf gekommen.<br />

Liebes liebes <strong>Gritli</strong> Gute Nacht.<br />

Dein Franz.<br />

29.V.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, ich glaube nun habe ich alle deine nachgekommenen Briefe zusammen. Es geht mir<br />

ja genau damit wie dir mit meinen: es sind alte Briefe geworden durch den einen Tag schmeck= und<br />

fühlbarer Nähe, und auch das geht mir genau so, dass ich mich über alle Besinnung weg freue auf

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