Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 88 of 178<br />
Thema: Ist das mit der Kirchenlehre zu vereinigen? "Die Kirche lehrt..." "Steiner lehrt...". Weder<br />
Erklären, noch Begreifen, noch meinetwegen Beschimpfen, sondern ganz seelenloses Vergleichen,<br />
und damit ist es gut. - Ich bekenne, obwohl ich neugierig war, daraus nichts aber auch nichts gelernt<br />
zu haben. Denn dass der Steinersche Wortlaut sich mit dem katholischen Wortlaut nicht deckt (über<br />
mehr als über den Wortlaut kann so ein Vergleich überhaupt nichts aussagen), das habe ich schon<br />
vorher gewusst, weil es sich von selbst versteht. Wenn nicht die Sache noch in den späteren Artikeln<br />
nachkommt, in diesem kam sie noch nicht vor. Der Artikel, und genau so der über Expressionismus,<br />
ist nur defensiv, besser: nur apologetisch, keine Spur missionierend. Ich meine in dem Sinn: wenn<br />
Steiner diesen Artikel liest, wird er sagen: "Nun gut, ich bin kein Katholik; das wusste ich schon.<br />
Und was weiter?" Dagegen die Auseinandersetzung in der Christl. Welt auf einen Ton geht, dass<br />
Steiner gezwungen wäre, selbst in die Diskussion einzugreifen, sich zu wehren, sich zu klären, kurz<br />
sich überzeugen zu lassen und zu überzeugen. Kurz, die Christl. Welt rechtfertigt da ihren Namen<br />
(und die "Stimmen der Zeit" eigentlich auch; wenn man unter Stimme den wortlosen blossen Schall<br />
versteht).<br />
Der Aufsatz des Polen über Russland ist in der Darstellung nicht übel, wenn auch inhaltlich gar<br />
nicht neu; jede "bessere" Zeitschrift hat wohl, mindestens während der Krieges, einen Aufsatz über<br />
das Thema gebracht, wo das gleiche drin stand; von Nötzels Buch gar nicht zu reden; auch in Hahns<br />
de moribus Ruthenorum steht das alles ja schon; und unmittelbar vor dem Krieg in Harnacks Akad.<br />
Abhandlung "Geist der morgenl. u. abendl. Kirche". Der Aufsatz in den St. d. Zeit leidet aber wieder<br />
unter der einseitigen Konfrontation hie Russland - dort Rom. Auf das eigentlich Merkwürdige,<br />
nämlich die Beziehung, die sachlich zwischen Russl. und dem "Protestantismus sowie der modernen<br />
Ethik" bestehen, kommt er nur ganz flüchtig als auf eine litterarische Berührung zu sprechen, auf der<br />
letzten Seite oben. Und doch fängt da eigentlich erst die Wichtigkeit der russischen Moral für die<br />
Zeit an. Ganz grob formuliert: wie verhält sich die russische Kirche zum "Dritten Reich," zur<br />
"Johanneskirche" Schellings oder wie man es nennen will? Ist sies etwa?? Was ists mit dem<br />
Panslawismus, vor allem mit Solowjeff? Das sind die Fragezeichen, die über einem Aufsatz stehen<br />
müssten, der wirklich "Modernstes Zukünftiges Neuestes" zu lernen und zu bedenken geben würde.<br />
Aber dem S.J.= Mann ist ja die gegenwärtige russ. Revolution grade gut genug dazu, die Inferiorität<br />
der "russ. Moral" gegenüber der römischen zu "erläutern" - dieweil ja Blut dabei geflossen ist (was<br />
bedarf es weiter Zeugnis)! Im Grunde eben auch hier wieder der ganz arme Vergleich dessen was<br />
erkannt werden soll mit dem Einfürallemalerkannten, mit Rom. Was kümmert ihn die Welt! existiert<br />
sie überhaupt? Rom ist da, . Wieder Vergleichen statt Erkennen. Wieder Abwehr,<br />
statt Auszug Erkundung Kampf.<br />
Der Aufsatz über Expressionismus. Weshalb überhaupt geschrieben? Offenbar hätte die<br />
religiöse Phraseologie der theoretischen Begründer allein ihn noch nicht veranlasst,<br />
auch noch nicht die christliche Stoffwahl, die in den letzten Jahren dazu kam. Aber dass die<br />
Katholiken Conrad u. M.Fischer darauf geraten sind, das endlich wird Veranlassung, dass sich auch<br />
S.J. damit beschäftigt. Damit? Womit? Etwa mit dem Expressionismus? Schanden [?]halber so ein<br />
bischen auch; aber richtig im Schwung ist der Aufsatz erst, wo er mit sanfter mütterlicher Hand die<br />
beiden irregegangenen Söhne zurecht = und zurück nach Beuron weist. Immerhin ist hier wenigstens<br />
in dem Schlussabsatz ein gewisses Armeauftun, und das ist das Beste daran. Die Darstellung des