Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 31 of 178<br />
Der Unteroffiziersstand kam mir jetzt eigentlich auch unmöglich vor; schrieb ich dir das nicht<br />
selbst? Aber die nötige Energie will ich doch nicht darauf wenden; so nebenher geht es nicht; ich<br />
müsste es doch richtig wollen, und dafür ist mir mein Wille zu schade. Schliesslich wäre doch nur<br />
eine Maske mit der andern vertauscht, die "etwas gewagte" die ich jetzt trage mit einer<br />
konventionelleren - es lohnt eben doch nicht. Es wird dir also wohl oder übel auch weiter<br />
gleichgültig sein müssen. -<br />
Die Ähnlichkeit mit Vater, von der du schreibst, weiss ich wohl, - aber die meine ich nicht, ich<br />
meine etwas was man gleich sähe und spürte. Und das ist offenbar wirklich nicht dagewesen. Wir<br />
waren gar nicht verschieden wie Vater u. Sohn, sondern wie zwei sehr verschiedene Brüder, bei<br />
denen man sich gar nicht wundert, wenn wirklich alles verschieden ist. - Im Haus war er freilich<br />
"gedrückt"' das sagte er im Spass selber. Nach meinem Abiturientenexamen bin ich ja mal 14 Tage<br />
oder 3 Wochen bei uns im Geschäft gewesen, vorgeblich um mal ein Geschäft zu sehen, in Wahrheit<br />
hautsächlich, um mal ihn in seiner Tätigkeit kennen zu lernen. - Seine Klugheit habe ich freilich,<br />
aber eben ich "habe" sie. Was man bloss hat, ist man nicht. Er war freilich ungeheuer konziliant<br />
dabei, ich habe das voll gesehen eigentlich nur das eine Mal, wo er mit Prager abends im Esszimmer<br />
sprach und Mutter uns alle Momente zurückrief weil es sie vor Frau Frank glaube ich genierte, du<br />
warst auch dabei. Später ist mir dann klar geworden, dass er zu mir ganz ähnlich war, freilich meist<br />
ohne Erfolg; jetzt in Kassel las ich seine "Privat"= Korrespondenz 1917, da hatte ich gradezu das<br />
Gefühl, ein Stück Menschenbehandlung zu lernen. Er sprach so rein die Sprache des draussen, des<br />
Markts, der Strasse, des Rathauses - denk an <strong>Eugen</strong>s Sprachkreise -; in den Beileidsbriefen an Mutter<br />
war sein Bild deutlich, wohl mehr als in Mutters eigner Vorstellung. - Ich komme nicht zu Rande<br />
damit. Für mich ist eben etwas Werdendes in der Entwicklung abgeschnitten. Er hätte grade um<br />
meinetwillen länger leben müssen - oder auch kürzer; in beiden Fällen wäre es etwas Fertiges<br />
gewesen; so aber kucke ich ihm nach.<br />
Greda - ich habe doch allmählich eine Vorstellung von ihr, durch dich, durch die Kinder, vor<br />
allem durch den Brief und die Handschrift. Aber immer störst du mir wieder alles, wenn du den H.<br />
U. dazu nennst. Sie ist doch ein grade gewachsener Mensch, was soll ihr dieser Heuschreck.<br />
Über die vielen Anspielungen in "Globus" schimpft auch <strong>Eugen</strong>. Ich weiss weniger als je, ob mit<br />
Recht. Ich meine, auch wenn ich viel breiter geschrieben hätte, dürften die Ereignisse, das 3-4 Unr<br />
nachmittags, doch nur in Anspielungen erscheinen, aus Gründen der Perspektive, nämlich damit sie<br />
Hintergrund bleiben und nur das geographische im Vordergrund zu sehen ist. Doch wie gesagt ich<br />
weiss nicht, ob das nicht bloss eine Beschönigung eines Stylfehlers ist. Wenn du übrigens [dich]<br />
wirklich dadurch veranlasst sähest, "Rankes Weltgeschichte von vorn bis hinten durchzulesen", so<br />
hätte ich dir etwas sehr Gutes getan und wäre zufrieden mit dem Erfolg.<br />
April 2 <strong>1918</strong><br />
Dein Franz.<br />
[Auf Rückseite eines Durchschlags von einem Brief an Hans Ehrenberg vom 4.V.18., s. Briefe<br />
Band I, Nr.524, S.551-553, dort gekürzt wiedergegeben. Auslassungen am Briefende:]