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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 135 of 178<br />

bisher immer mit Verwunderung bei dem Sternpersonal vermisste, hat sich nun endlich auch<br />

gemeldet, und wird als Probe aufs Exempel durch den ganzen IIten Teil gehn. Er macht nämlich alles<br />

verkehrt, weil er die heidnischen Begriffe von Gott Welt und Mensch ohne innere Umkehr in die<br />

übernommenen Begriffe der Offenbarung hineinführt, also der mythische Gott bei ihm so wie er ist<br />

zum Schöpfer wird u.s.w. - es ist zu umständlich, es auseinanderzusetzen. Aber sonderbar ist es<br />

doch, wie alles ganz von selber kommt; nachträglich sehe ich natürlich, dass der Islam nur hier<br />

kommen kann. Es kommt alles ganz ungesucht. Fast alles wenigstens.<br />

Hie und da habe ich natürlich die Frechheit eine kleine Schlucht auch mal einfach zu<br />

überspringen, um weiterzukommen. Denn alles in mir drängt nach dem Augenblick, wo das Ganze<br />

fertig ist, und wo ich das Ganze mit einem kühlen "mittelmässig" abtue, was ich jetzt einfach noch<br />

nicht kann; es gefällt mir und ich bin masslos gespannt auf alles Mögliche darin. Ausserdem ist es so<br />

merkwürdig, wie persönlich alles wird, es sind überall meine ganz privaten Angelegenheiten - und<br />

doch ein System. Wenn es fertig ist, sollen es <strong>Eugen</strong> und Rudi doch zu lesen bekommen; vorher hat<br />

es keinen Zweck, weil es nach epischer Methode geschrieben ist, mit ständigen Verweisungen auf<br />

Kommendes, und das macht nervös, wenn man nicht das Ganze in Händen hat (leicht zu lesen wird<br />

es allerdings nicht;<br />

das merke ich, wenn ich es für die Abschrift durchlese; etwa 14 Tage wird man dran zu tun<br />

haben). In der Abschrift ist jetzt auch der "Übergang" fertig, und von I 3 die Hälfte, also bald der<br />

ganze erste Teil.<br />

Charakteristisch für die Sache ist, dass ich ohne jede Konkurrenzgefühle mit "andern<br />

Philosophen" schreibe. Ich habe eben so gar nicht das Gefühl, das Weltgeheimnis beim Schopfe zu<br />

haben, sondern nur: mein System zu schreiben.<br />

Eigentlich ist das mit bald 32 Jahren ja etwas ganz Normales; aber es kommt mir nicht so vor,<br />

weil ich gewöhnt bin (durch den Krieg und auch sonst) mich immer als jünger, eben so etwa als<br />

27 jährig wie ich ja bei Kriegsausbruch war, anzusehn.<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, wie alt bin ich denn wirklich?<br />

Dein Franz.<br />

11.10 18<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>,<br />

- bzw. lieber <strong>Eugen</strong>, ist es nicht merkwürdig, dass nun die deutsche Niederlage wohl im<br />

Zusammenhang mit der Auflösung Österrs. = Ungarns zu einer Verwirklichung des alten<br />

alldeutschen Programms (Typens Wiltfeber) führen wird? Grade die Niederlage! - Der<br />

"Kabinetswechsel" in der Türkei, obwohl ja vorauszusehn, löscht mein letztes Hoffnungsfünkchen<br />

aus und ich bin nun auch politisch, - nicht bloss, wie selbstverständlich, privat, - für Frieden um<br />

jeden Preis, einschliesslich also der Helvetisierung des Elsass, die ja das natürliche Ergebnis einer

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