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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 77 of 178<br />

auch telefonieren, allerdings soll nur mit grösseren Orten die Verständigung gut sein. Und wenn<br />

dann dies unerwarteterweise nichts werden sollte mit Berlin, dann bliebe (am Freitag und eventuell<br />

bis Sonnabend) Dresden. Sehen müssen wir uns - auch wenn es nicht das sein sollte, was wir beide<br />

jetzt mit angstvoller Gewissheit davon erwarten: nun dann ist es eben nicht das gewesen, und auch<br />

das wollte dann erfahren werden. Aber warum sollte unsre Gewissheit nicht wahrer reden als unsre<br />

Angst.<br />

In beidem Dein.<br />

26.VI.[18]<br />

Lieber <strong>Eugen</strong>, noch kann ich nicht wieder das Wort unmittelbar an dich finden und doch muss ich<br />

es wieder finden. Wir hatten beide jeder den andern zu sehr aus den Augen verloren - nein ich will<br />

nicht von dir sprechen, nur von mir: ich hatte mich so sehr gewöhnt, durch <strong>Gritli</strong> hindurch zu dir zu<br />

sprechen, dass ich die simple Wirklichkeit des Ausser = einander im Raume vergass und kaum mehr<br />

danach verlangte, dir selber unmittelbar zu schreiben. Die Zeit wo ich dir nicht schreiben konnte,<br />

war kurz; das war im März. Seitdem konnte ichs, aber ich brauchte es weniger als je oder jedenfalls:<br />

ich glaubte es nicht zu brauchen. Und dann kamen diese letzten schrecklichen Wochen und<br />

verschlugen mir den Mund, der schon wenn nicht die Sprache so doch die Rede wiedergefunden<br />

hatte -<br />

Und auch jetzt noch. Es ist so vieles wieder aufgewühlt in unserm wechselseitig verflochtenen<br />

Schicksal; ich weiss dass Elemente die ich längst für krystallisiert ansah bei dir wieder frei in der<br />

Lösung schwimmen. Wir müssen wieder miteinander sprechen. Los können wir doch nicht von<br />

einander. Wir können einer am andern erstarren und verstocken, einer am andern lebendig werden -<br />

aber auseinanderdröseln können wir den verschlungenen Knoten unsrer Konstellationen nicht mehr.<br />

Wir sind einer durch den Feuerkreis des andern hindurchgegangen - du vielleicht durch meinen erst<br />

jetzt.<br />

Dies heute ist noch nicht das erste Wort, nur der Doppelpunkt davor. Der Kalender musste<br />

drohen, schon um dies Vor = Wort herauszuzwingen. Nun er es erzwungen hat, danke ich ihm dafür<br />

- wie ich ihm für das VordreissigJahren danke. Was es eigentlich heisst, dreissig Jahre alt zu werden,<br />

das erfahren wir ja beide durch dies vieljährige Solstitium des Krieges nur ahnungsweise. Aber auch<br />

davon können wir nun nicht mehr "zurück", - wie überhaupt von nichts.<br />

Versuch zu sprechen und zu hören und glaub an mich wie ich an dich glaube.<br />

Dein Franz.<br />

27.VI.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, es quält dich sehr, mit Mutter zusammenzusein? ich habe es dir vorweggesagt, es<br />

würde schwerer sein als du dachtest. Mich quält es weniger als sie selber meint, obwohl ich ihr so<br />

gar nicht helfen kann. Ich spüre doch, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben etwas ganz und<br />

"grenzenlos" erlebt und dass sie so wenigstens das X.Y.Z. des Lebens lernt, nachdem sie das a b c

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