Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 165 of 178<br />
abfärbt. Übrigens hält er sich für einen Philosophen und "teilt" alle Dinge "ein" (das ist Philosophie,<br />
das Einteilen!); er fragte mich nach seinem Mitsünder in Rechtsphilosophicis, Holldack aus Leipzig<br />
(den ich in dem Kurs als Lehrer ein paar Tage genossen hatte), und als ich sagte, er wäre dumm, und<br />
er darüber strahlte, korrigierte ich mich und sagte dass heisse übrigens nicht viel bei mir, denn ich<br />
hielte die meisten Menschen für dumm und die Pholosophen insbesondere. Da war er glaube ich<br />
etwas pikiert.<br />
Dann kam Kähler und blieb bis spät. Es gab noch eine Ohrfeigenszene zwischen zwei<br />
Offizieren; überhaupt ist ja alles was man jetzt sieht (und in der Zeitung liest) symbolisch, alles<br />
Abschluss und Auflösung.<br />
Der Brief will fort und ich zum Frühstück. Heut kommt ein Stück, vor dem ich mich fürchtete.<br />
Jetzt bin ich schon mehr bloss neugierig.<br />
Auf Wiedersehen heute Abend - oder nein: auf Wiedersehen heute den ganzen Tag, immer so<br />
zwischendurch ein kleines: ach da bist du ja.<br />
Ja ----<br />
Dein.<br />
[22.? XI.18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, ich bin sehr müde und wenn ich mich nicht mit Kähler verabredet hätte, ginge ich<br />
zu Bett.<br />
Über die schwere Stelle bin ich so ziemlich hinweg. II 3 wird ein Mittelding zwischen II 1 und II<br />
2 , nicht bloss inhaltlich, sondern auch in der Behandlung, und wahrscheinlich das längste Buch des<br />
Ganzen. Vielleicht werde ich aber doch noch hier damit fertig. Ob ich nach Säckingen gehe, weiss<br />
ich noch nicht. Wenn ich so im Schreiben bleibe wie jetzt, wohl nicht.<br />
Wilson reist mit seiner Frau nach Europa! Der Konsul ausserhalb der Stadtmauern nimmt<br />
monarchische Allüren an. Man möchte die Zeitung jetzt immer zerreissen. So zensiert war sie<br />
übrigens während des ganzen Krieges nicht wie jetzt. Und die Berliner Professoren spüren "z.T." die<br />
Verwandschaft des neuen Regimes mit dem freien Geist der Wissenschaft.<br />
Ich will mich noch etwas aufs Sopha legen. Bist du bei mir, wenn ich einschlafe?<br />
- Dein<br />
24.XI.[18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, du warst ja ganz traurig anzuhören am Telefon, aber dass du mich auch so lange<br />
ohne "Direktion" gelassen hattest! Mutter muss neulich am Montag ganz falsch verstanden haben.<br />
Ich hatte ausdrücklich gesagt, ich bleibe noch die Woche