Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 155 of 178<br />
noch auf jeden Fall bis Sonntag mindestens hier bleiben (und bis dahin wird sich wohl die<br />
Heimatsbeurlaubung der Preussen geklärt haben und sonst fahre ich in einem Kantorowiczschen<br />
Rock) nämlich ich will es jetzt so machen, dass die nächsten Abende Herr Mündel bloss unter<br />
meiner konsultierenden Assistenz den Text für sich durchliest, damit er ihn nachher in Ruhe<br />
schreiben kann. Auf die Weise kriege ich dann auch II 2 in Reinschrift, und das möchte ich sehr<br />
gern.<br />
Mutter schreibt, dass du im Haus "angestellt" bist. Daher war wohl kein Brief von dir dabei.<br />
Ich bin froh, dass <strong>Eugen</strong> nach München fährt statt nach Berlin.<br />
Liebe, liebe - ich werde nie wieder etwas schreiben wie dieses Buch II 2<br />
-----------------<br />
Morgen früh werde ich wohl fertig.<br />
Dein Franz.<br />
15.XI.[18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, II 2 ist fertig. Dann ging ich auf die Bibliothek, um etwas nachzusehn und einen<br />
kleinen gelehrten Knalleffekt hineinzusetzen (nämlich, dass das Wort "Ich" - frz. "Moi", nicht "Je" -<br />
im Hohen Lied häufiger vorkommt als in irgend einem andern biblischen Buch). Danach ging ich zur<br />
Belohnung auf den Zeitschriftensaal und fand auch gleich 2 interessante Hefte, 1.) den Logos, wo<br />
sich Cassierer ausführlich mit "Franz Rosenzweig"s Schellingianum auseinandersetzt; gelesen habe<br />
ich den Artikel noch nicht und 2.) das Hochland mit <strong>Eugen</strong>s Wilsoniade, die ich jetzt natürlich mit<br />
offeneren Augen gelesen habe als im August. Die Änderungen gegen den Schluss hin sind sehr gut.<br />
Überhaupt das Ganze.<br />
Also: und nun geht der Abtransport plötzlich so schnell, dass ich wohl nur eben noch mit dem<br />
gemeinsamen Durchlesen des Texts mit Herrn M. fertig werde. Ich melde mich erst morgen wieder<br />
in der Kaserne, damit ich erst Sonntag Abend fortkomme. Bis dahin wird es dann mit einiger Hetze<br />
schon gehen. Also Montag oder Dienstag bin ich dann in Kassel. Und dann muss ich eben sehen wie<br />
ichs mir einrichte, ev. auch mit Frühaufstehen.<br />
Dass <strong>Eugen</strong> meine in contumaciam erteilten Ratschläge ahnungsvoll befolgt hat und nach<br />
München gefahren ist, statt nach Berlin, freut mich sehr. Warum auch sich partout auf den Kopf<br />
stellen. München ist doch das Natürliche. Er wird sicher in high spirits zurückkommen. Aber siehst<br />
du, schon seine kurze Tätigkeit im Kasseler Soldatenrat hat genügt, dass sein Name ins Volksblatt<br />
und damit in das Gedächtnis aller Kasseler politisch interessierten Leute gekommen ist und natürlich<br />
nicht als "<strong>Eugen</strong> <strong>Rosenstock</strong>", sondern als "so ein Dr. Rosenstein oder Rosenzweig oder =feld - na<br />
Sie wissen schon". So geht es nun einmal.<br />
Es ist mit Kähler nur ein Anfang, allerdings ein merk = würdig notwendiger (diesmal wirklich mit<br />
deinem Bindestrich), aber kein leichter. Er glaubt noch an "Ansichten" und freut sich dass wir