Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 55 of 178<br />
Deutschland, das durch diesen Krieg ins Unrecht gesetzt und zur Fronde gezwungen wird; als Fronde<br />
ja unter Umständen mächtiger als die Steuerleute. Für <strong>Eugen</strong> wirds, wenn er es wirklich noch nicht<br />
kennt, ein grosses Ereignis sein. Sogar die beiden Reichstrikoloren kommen vor, in genau ihm<br />
entgegengesetzter Tendenz: die Fahne der Zukunft wird wehen über - Dänemark Holland Schweiz.<br />
Das ist denen ihr "Reichsgedanke". Da hat natürlich auch Schwarz = rot = gold nichts andres<br />
bedeutet als Wald = Wein = Weizen. -<br />
Einen schönen Cohenartikel schicke ich dir.<br />
13.V.[18]<br />
Von London waren nun Briefe da, von Ännchen und den drei Kindern einzeln. Mutter hat einen<br />
Satz in Winnies Brief, wo sie sagt, ihre Gefühle wären natürlich bei ihrem Land, als eine Anspielung<br />
und Absage verstanden und wollte schon schreiben; ich hoffe sie daran verhindert zu haben. Wenn<br />
sie wüsste, wie leicht ich diese Fremdheit nehme, und wie es eine ganz andre ist, die mich bedrückt.<br />
Vor allem aber möchte ich natürlich kein, auch noch so "zartes" Eingreifen dritter Hände in dies<br />
"schwebende Verfahren". Lieber als solche Geleimtheit dann selbst ein Auseinanderbrechen.<br />
Alles was jetzt über das dicke Wasser herüberklingt, hat ja etwas Fratzenhaftes; ehe nicht die<br />
Grenze sich wieder auftut, kann es keinen reinen Ton geben, auch von mir nicht. Jetzt sehen Briefe<br />
starr wie Photografien.<br />
Ich werde so spät hier weggelassen, dass ich wohl keinesfalls mehr über Kassel kommen werde.<br />
Dagegen auf der Rückreise habe ich offiziell "einen Tag", daraus werden inoffiziell zwei oder drei.<br />
Dein Franz.<br />
14.V.[18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, <strong>Eugen</strong> schickt mir einen Brief an dich, und du meinst du verwechseltest unsre<br />
Feldpostnummern. Und ich adressiere dauernd nach Säckingen, wo du wohl sicher nicht bist.<br />
Konfusion überall.<br />
Der Hammann kam, etwas Retter in der Not; denn ich hatte nichts zu lesen. Ich hatte ihn sowieso<br />
auf dem Programm, vielleicht sogar bestellt. Bestellen ist jetzt ein dunkler Punkt, weil Mutter nicht<br />
mehr richtig "funktioniert". Seit Wochen jammre ich über mangelhafte Versorgung mit Gedrucktem;<br />
jedesmal kommt das Echo, sie jammert ebenfalls, dass sie mich nicht genügend damit versorgte - im<br />
Schrank liegt der ganze Haufe noch ungelesener Sachen, den du kennst, aber sie schickt mir nichts<br />
daraus, ausser einmal. Es ist sehr komisch; im übrigen wächst ihr offenbar das Geschäftliche über<br />
den Kopf und das ist nicht komisch. Auch schläft sie nicht; ich hoffe im Stillen auf ein<br />
Kataströphchen, sonst giebt es eine Katastrophe; denn von selber schafft sie sich nicht die nötige<br />
Ruhe.<br />
Über deiner Schwiegermutter Buch schrieb ich dir ja ex flagranti. Das fidele Hintereinander von<br />
Darwinismen und Religionsgeschichte ist sicher frappant, allerdings am meisten für uns, die wir