Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 168 of 178<br />
gekommen sein. - Auch Kähler hat mich ja hier gehalten und die Vergangenheit. Du musst dich nicht<br />
sehnen, du sollst dich nur freuen.<br />
Liebes <strong>Gritli</strong> - die Pfarrer? und ich soll mich entsetzen? ich kann ja im Augenblick überhaupt<br />
nicht hingehen. Der * hält mich draussen, ich hätte das Gefühl, "Stoff zu sammeln" und da wage ich<br />
mich gar nicht herein.<br />
Meinst du, ich hätte wohl ein klares Wort über den Tod geschrieben. Ich weiss es selbst nicht;<br />
er kommt immer wieder vor, immer wieder anders, aber nirgends mit endgültiger Klarheit.<br />
In clericos - ich glaube das geht.<br />
Gute Nacht --- ich schreibe dir ruhig weiter bis ich komme, es sind ja noch fünf Tage sicher.<br />
Gute Nacht --- Dein.<br />
27.XI.[18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, mit der Ästhetik bin ich glücklicherweise fertig; diese Stücke habe ich in allen drei<br />
Büchern von II nicht gern geschrieben, obwohl sie wohl ganz nett geworden sind. Morgen also noch<br />
der Schluss, übrigens wohl doch nicht der 73.Ps., sondern der 115.(Non nobis). Nämlich der 73.<br />
hatte mich wegen des Begriffs der Versuchung gereizt, aber der kommt nun überhaupt erst in Einl.<br />
III. Während der 115. alles enthält, was in II 3 vorkommt. Ausserdem spielt der 73. keine Rolle bei<br />
uns im Kult, der 115. dagegen an allen frohen Festen. Heut fiel mir auf, dass ich in II 3 zwar den<br />
Staat u.s.w. aber nicht - die Kirche bringe, die doch, als äussere Organisation, das Erlöstwerden<br />
ebenso nötig hätte. Es hat aber seinen guten Grund. Das ist eben meine "Orthodoxie" dass ich sie nur<br />
in III bringe.<br />
Aber so kurz kannst du daraus ja nichts machen. - Im Januar werde ich ja nun wohl sicher fertig.<br />
Die Bücher des III.Teils werden jedes nur eine Woche dauern. Danach müsste ich meine Notizen mal<br />
durchsieben, ob ich alles verwendet habe. Und dann ist es fertig. Gestern bei Cohn - er setzte mir<br />
seine Theorie des Judentums auseinander, seine persönliche Geschichte hatte er mir schon das vorige<br />
Mal erzählt. Und dann verglich ers mit Parsismus und Brahmaismus, "andern unvollkommenen<br />
Weltreligionen". Der Plural "Religionen" ist eigentlich noch unmöglicher als der Singular. Man kann<br />
ja schon mit einem Menschen, der von "Religion" spricht, eigentlich nicht davon sprechen. Aber bei<br />
so etwas kommt er mir vor, als schriebe ich den * gar nicht; es ist alles so ganz anders. Das neue<br />
Buch ist im Inhalt so zwischen II 1 und II 2, aber mehr von II 2. Die schwierige Auseinandersetzung<br />
mit dem Idealismus war eben nur beim Schöpfungsbegriff nötig. Von der Erlösung weiss der<br />
Idealismus ja einfach nichts, und wo er was davon sieht, nennt ers - Anarchie, Bolschewismus,<br />
russische Zustände und dergl. (Es sind mir aber keine aktuellen Anspielungen hineingeraten, das<br />
bleibt alles ganz wie von selber draussen, obwohl ich es doch unter lauter aktuellem Gespräch<br />
schreibe; ich bin ja fast nie allein in der Weinstube). Dabei erkläre ich die Erlösung übrigens<br />
durchaus nicht bloss vom Bolschewismus der Nächstenliebe her, sondern genau so von der ihr<br />
entgegewachsenden ("ganz von selber" wachsenden) Welt. Ich sage so: die Liebe will alles beseelen;<br />
aber nur des Lebendige (Gegliederte, Wachsende, "Organische") ist fähig beseelt zu werden, nicht