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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 110 of 178<br />

und wenn also alle den Himmel verehren wollten so wäre die Menschheit eins. - Für das<br />

geozentrische System kämpft seit Jahren schon Johannes Schlaf; näheres weiss ich nicht, kann es mir<br />

auch nicht vorstellen; die Fixsternparallaxen, deren Nichtnachweisbarkeit für die zeitgenössischen<br />

Gegner des Kopernik (das Denkmal dieses grossen - Polen steht übrigens in Warschau!) und noch<br />

für Tycho ein Haupt-argument war und die im 19. scl. mit den verbesserten Fernrohren überall,<br />

soweit das Fernrohr es theoretisch ermöglicht, nachgewiesen wurden, sprechen zu deutlich für<br />

Kopernikus. Sonst müsste man annehmen, alle Fixsterne beschrieben genau gleichzeitig mit der<br />

Sonne jeder für sich einen kleinen Kreis jährlich. Und da man an der Drehung der Erde um sich<br />

selbst ohnehin nicht zweifelt, so wäre selbst bei einer Wiederauffrischung des geozentrischen<br />

Planetensystems die eigentliche Crux, nämlich die kleinstädtischen Allüren des ganzen<br />

Planetensystems, gar nicht beseitigt. Die Sonnen fliegen eben (seit Giordano Bruno) und damit ist<br />

die Frage Erde oder Sonne gleichgültig geworden. Da wir aber Kant ("...sei Sonne deinem Sittentag")<br />

und Hegel (die Weltgeschichte ist nicht der Fortschritt in Richtung auf einen Punkt, welcher unter xo<br />

y' z" und , ’, " im Sternbild des Herkules liegt, sondern im Bewusstsein der Freiheit) haben, so ist<br />

ja alles wieder in Ordnung und die Welt ist wieder genau so "geozentrisch" wie sie es seit dem<br />

Untergang der Winkler = A.Jeremiasschen "altorientalischen Weltanschauung" mit Ausnahme der<br />

250 Jahre von Kopernikus bis Kant immer war, also seit dem "Jahre 1". Die Astrologie, die ja die<br />

Erbin jener "altoriental. Weltansch." ist, hat auch nicht umsonst grade im 17.scl. geblüht.<br />

Gregory habe ich nie gesehen; das Buch möchte ich aber doch; ich habe aus der Chr. Welt eine<br />

komplette Vorstellung von ihm, als ob ich ihn gesehen hätte. - Deine Theorie über<br />

Offiziersaspiranten und Infanterie stimmt nicht; unser Zug hat z.B. seinen schiessenden Wachtm. u.<br />

Offasp. (also quasi 3ten Offizier) als "1 Uoff." abgeben müssen. Aber vorläufig ist das<br />

Abkommandieren hier durch Offensivaussichten für September ins Stocken gekommen.<br />

Teildemobilmachung würde Revolution bedeuten. Allerdings wüsste ich auch kein andres Mittel<br />

mehr, um dem Krieg ein Ende zu machen. Aber warum soll er eigentlich durchaus ein Ende<br />

nehmen? von uns einmal abgesehn. Die Engländer sind in Baku! (der einzige, der diese<br />

kleingedruckte Nachricht fettdruckt ist Stegemann im Bund).<br />

Die techn. Hochschule müsste freilich an einem Ort ohne Universität liegen. Beziehungen?<br />

wenn man welche haben will, hat man immer welche. O Deutschland! - Dass die t. H. noch<br />

antisemitischer ist wie die Universität, wusste ich nicht. Aber deine "Unmöglichkeit" ist ja rein<br />

persönlich; das Fakultätsgretchen merkt, dass du "ganz sicher..., vielleicht sogar...." bist, und hängt<br />

höchstens nachher vor sich selber, (um sich doch nicht zugeben zu müssen, sie fürchte Genies oder<br />

den Teufel), ihrer nun mal habenden Antipathie ein antisemitisches Mäntelchen um. Übrigens deine<br />

Skepsis gegen die Universitäten und vor allem das Korrelat dazu, den Optimismus für die t.Hoch.,<br />

teile ich nicht. Nicht die Universität ist kein Boden für dich, sondern die Fakultät. Gäbe es einen<br />

Juristenstuhl in der philos. oder theol. Fakultät (wie es einen in der medizinischen giebt), so wärest<br />

du untergebracht. Und nur weil es das nicht giebt, taste ich nach der t.H. - Das ist eben der Fehler der<br />

Universitäten, dass sie keine Universitäten mehr sind, sondern nur noch Fakultätenbündel, und noch<br />

stolz darauf sind wenn sie dies Bündel durch eine staatswissenschaftl. fünfte und eine<br />

naturwissenschaftliche sechste noch bunter machen. Und die Mediziner wohnen in ihren Instituten<br />

am Rande der bewohnten Erde und haben gar keine Zeit mehr überhaupt noch ins

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