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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 63 of 178<br />

so aufgescheucht worden, dass er auch mir plötzlich (d.h. noch nach Mazedonien, - nein schon<br />

hierher) die Philips = Kabinetfrage stellt, aber ganz ohne äussere Veranlassung. Er spricht von<br />

1903-10 als einer abgeschlossenen Periode unsrer Freundschaft, was ja richtig ist; aber im Grunde<br />

grenzt er auch die Zukunft schon so bestimmt ab, dass man alle Lust darauf verliert. Er arbeitet stark<br />

mit Lebensaltern - wieder ce n'est pas de mon age, wenn auch in anderem Sinn; ich habe mir das<br />

schon neulich mal verbeten - Kind Mann u. Greis sind alle gleich "unmittelbar zu Gott". Es geht<br />

allenfalls hinterher, aber vorher kann man doch nicht sich vornehmen, de son age zu leben. Aber das<br />

eigentlich Gefährliche ist, dass er durch solche Auseinandersetzungen wieder viel bewusster<br />

verphilipst, was er bisher unter dem Einfluss des Kriegs, den er persönlich ja sehr stark erfahren hat,<br />

stärker als einer von uns, sehr abgelegt hatte. (Wenigstens war es ihm selbstverständlich geworden).<br />

Jetzt fürchte ich ein neues "1911", ein neues von andern Abgestossenwerden und infolgedessen<br />

philipswärts Gestossen-werden. Besonders ich gerate im Schreiben jetzt so scharf ins Abstossen. Es<br />

ist ein Glück, dass es <strong>Eugen</strong> besser macht. Hans und er - ich habe es immer gewünscht; jetzt wo es<br />

so weit ist, ist es mir auch dabei bange - wenigstens bei Hans, diese kühle schmerzlose<br />

Selbstenthäutung. Wenn schon solch geistiger Harakiri, dann aber doch bitte mit Wehgeschrei -<br />

selbst wenns gegen den japanischen Ehrenkodex verstösst; oder man lässt es lieber bleiben. Diese<br />

geistige Erhabenheit war es wohl früher grade, die mich zu ihm zog; je weniger ich selber davon<br />

hatte, um so mehr. Auch das war 1910 zu Ende. Wir hatten damals unsre entgegengesetzten<br />

Ladungen so sehr ausgeglichen, dass keine Funken mehr zwischen uns übersprangen; so war es<br />

natürlich, dass wir unsre Spitzen voneinander abkehrten, er zu Philips, ich zu Rudi. Aber genug<br />

davon. Es ist schon wieder spät geworden.<br />

Dies Papier ist doch herrlich. Ich werde den Rest an dich verschreiben; es ist freilich nicht mehr<br />

viel.<br />

<strong>Gritli</strong> - -<br />

Dein Franz.<br />

30.V.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, sicher kein schweres Geschütz, das wäre das Allerverkehrteste. Am besten weder<br />

schweres noch leichtes - ich habe es ja mit beidem versucht und mit beidem vergebens, sondern<br />

einfach drüber weggehn. Eben deshalb hatte ich dir nie davon geschrieben, und auch weil es im<br />

Grunde so egal ist! Das sind wirklich Dinge, die nicht auf der Wiese vor dem Unterstand behandelt<br />

werden können, wo der Klatschmohn wächst, sondern nur drinnen. Und da kam Mutter schon zu<br />

spät. Siehst du aber dass sie sich an deine vielen Briefe nicht gewöhnt, so schreibs mir; ich schicke<br />

dann, so komisch es wäre, immer ein paar via Trudchen und zwischen durch wieder einen direkt.<br />

Aber nur, wenn du siehst, dass es ihr einen täglichen Stich gibt [?]. - Zu dumm! -<br />

Juni <strong>1918</strong><br />

Dein Franz.<br />

1.VI.[18]

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