Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 87 of 178<br />
schreibt er nichts, und doch wüsste ich gern, wie er insbesondere Jacobis Brief aufgenommen hat.<br />
Mir ist inzwischen noch klarer geworden, dass man sich durch O. Victors Beruhigungsmelodie und<br />
Jacobis Zaghaftigkeit nicht abhalten lassen darf. Es muss etwas Gründliches geschehn. Ich bin<br />
wieder wie zuerst für den Sprung von der Plattform der 22 reichsdeutschen Universitäten in die ihr<br />
zugeordnete schon vorhandene University extension; extension über die ausserakademishen Stände<br />
einerseits, der ausserreichsdeutschen Mitteleuropäer andrerseits, als die wahre und wirkliche<br />
Universitas des gegenwärtigen Zeitalters. Da gehört er hin, an irgend eine Stelle, nämlich an die<br />
Stelle zu der er durch irgendwelche Beziehungen sich den Zutritt schaffen kann. Über seinen Kopf<br />
weg ist es doch nicht gut zu machen. Aber er muss es eigentlich selber einsehen, dass er als<br />
Extraordinarius in Strassburg oder Greifswald 1920 genau so wenig die universitasbedürftigen Hörer<br />
findet wie 1914 (13 darf ich nicht sagen; da war ja einer) in Leipzig. Denn die universitas lassen sich<br />
nur die Randmenschen gefallen, die "Fachbeflissenen" selber nie. Und deshalb muss er an den Rand<br />
gehen. Er ist doch Missionar auch da. Der Missionar kann zu den Wilden gehn oder zu den<br />
Enterbten; versteift er sich aber darauf, in die Salons zu gehn (was an sich natürlich genau so nötig<br />
wäre), so hat er nur die Wahl zwischen Stilleschweigen und Hinausgeschmissenwerden.<br />
Das ist nun ein Brief an <strong>Eugen</strong> geworden. Ob er ihn wenigstens noch bei dir trifft, sodass du<br />
nicht abzuschreiben brauchst?<br />
Guten Abend -<br />
Dein Franz.<br />
13.VIII.18<br />
Lieber <strong>Eugen</strong>, nein - deine Zeitschrift ist es nicht. Ich habe sie nun auch "von A - Z" gelesen<br />
(sogar die von dir nicht aufgeschnittene Seite), - aber gelernt daraus? am ehesten noch aus den<br />
beiden Rezensionen zur Entwicklungspsychologie; da spricht ein Mensch, der in der Sache, "über"<br />
die er spricht, auch wirklich "drin" steckt. Aber in den grossen Artikeln fehlt dies aus = der = Sache<br />
= heraus = reden ganz. Die Sache wird vorgeladen, verhört, und dann mit der katholischen Wahrheit<br />
konfrontiert, worauf sie rot wird und die Augen niederschlägt. Ich spreche nicht vom ersten Artikel,<br />
über die Ehe. Der ist Theologie und als Theologie sehr gut, freilich etwas zu sehr la théologie pour la<br />
théologie; wer in dem Begriffssystem "gnadenanzeigend", "gnadenverleihend", "heilig-machend"<br />
u.s.w. u.s.w. nicht zuhause ist - wie weit ist das eigentlich der katholische Laie? -, der kommt doch<br />
nicht recht mit. Aber immerhin, der Artikel bleibt in der Theologie und ist dadurch stark; er ist der<br />
einzige, der einfach "recht hat", d.h. der sein Thema bis auf den Grund ausschöpft. Die andern aber<br />
sind alle oberflächlich, weil sie alle eben bloss vergleichen. Nimm den über die Theosophie. Ich<br />
weiss nicht, ob (ich glaube nicht, dass..; ich fürchte, dass du nicht..) die Christliche Welt liest. Da<br />
spielt sich augenblicklich eine Auseinandersetzung über Steiner ab zwischen Joh. Müller als<br />
Angreifer und Rittelmeyer als Verteidiger. Man erfährt daraus gewiss weniger direktes und einzelnes<br />
über Steiners Lehren als bei dieser scheinobjektiven Zitiermethode (Methode, denn sie ist genau so<br />
in dem Aufsatz über Expressionismus). Aber dafür ists Auseinandersetzung mit der Sache. Müller<br />
und Rittelmeyer zitieren beide fast überhaupt nicht. Der S.J.= Mann erzählt erst die "Geschichte"der<br />
Bewegung, streut die nötigen und üblichen persönlichen Verdächtigungen ein und dann springt er ins