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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 89 of 178<br />

Expessionismus ist nicht besser sondern weniger gut, unbeholfen an der Krücke von Zitaten hinkend,<br />

also weniger gut als das, was die "protestantischen" "Universitäts-revuen" darüber bringen.<br />

Das Stück über die Viebig in den Rezensionen ist von ganz normaler Dummheit. Das<br />

interessante Stück über "Klassisch oder romantisch" am Schluss des Hefts ist - aus dem Hochland.<br />

Überhaupt nach dieser Probe doch lieber Hochland als S.J. Die Jesuiten sind und bleiben doch eben<br />

Mechaniker. Offenbar - sint ut sunt aut non sint.<br />

Es ist ja jammerschade dass es so ist. Als ich Brief und Heft bekam, war ich ganz bereit, dir zu<br />

glauben was du von dem Heft schriebst. Es entsprach ja so ganz meinem Vorurteil, das ich seit<br />

Beginn des Kriegs habe: dass dieser Krieg Roms Geschäfte besorgt und dass es gut so ist. Aber beim<br />

Lesen, schon beim Anblättern nicht erst beim A - Z purzelte ich wieder von meinem Vorurteil<br />

herunter. Luther hat dem Katholizismus die Luftwurzeln, die er in die Welt geschlagen hatte,<br />

ausgegraben; nun sind sie verdorrt. Es war einmal, da herrschte der Papst über die Welt; jetzt<br />

herrscht er nur noch über die, die von ihm beherrscht sein wollen. Der Heilige ist noch möglich, der<br />

Ritter nicht mehr. Die Ritter sind protestantisch geworden. Die Hochlandleute, die aus der Kirche<br />

Ritterfahrten unternehmen wollen, gucken die amtlich bestellten Torhüter und S.J.=Zionswächter<br />

jedesmal, wenn sie wieder durchs Burgtor heimreiten, ängstlich nach, ob sie auch ja nicht<br />

unzulässige Gegenstände als Beute von draussen mitbringen. Der unverdächtige Dienst geschieht am<br />

Tor und auf der Mauer, ritterliche Ausfahrt bleibt verdächtig. - Schade.<br />

Ich schicke dir als Kuriosum ein älteres Heft der Chr. Welt mit, das ich noch hier hatte und das<br />

ich vorhin heraussuchte, weil mir einfiel, dass darin ein Stück der Steinerpolemik stand und ich<br />

sehen wollte, ob ich zuviel gesagt hatte. Nun schick ichs dir, denn gleich dahinter steht - ein Aufsatz<br />

über Expressionismus. Natürlich sind die Protestanten ein paar Monate früher aufgestanden als das<br />

katholische Gegenstück. Schick doch das Heft der St.d.Z. bitte mal an Rudi (die Nr. der Chr.W. bitte<br />

nach Kassel).<br />

Hans? Er hat doch den Krieg als weltliche Tatsache überhaupt erst in Deutschland wieder<br />

entdeckt. Was er anfangs gelegentlich darüber äusserte, war ganz kleindeutsch, ganz 70/71. So sehr<br />

hat er ihn nur für sich richtig durcherlebt. Er war nicht bloss Soldat, er war wirklich Krieger. Als<br />

dann der Doktor in ihm wieder die Augen aufmachte, da kam zuerst wieder nur Reflexion über den<br />

Krieg selbst; das gab die noch im Feld (bei der Artillerie) geschriebenen ersten Kriegsaufsätze. Und<br />

erst seit er wieder in Deutschland ist, entdeckte er die politische Welt, in der der Krieg bloss<br />

geschieht.<br />

Ob du wohl noch in Deutschland bist? ich rede es mir ein. Für den Fall grüss <strong>Gritli</strong>; ich schreibe<br />

ihr nach diesem langen Skriptum an dich heute nicht mehr.<br />

Und sei selber, mit oder ohne, gegrüsst von Deinem<br />

Franz.<br />

14.VIII.[18]

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