Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 82 of 178<br />
und grade der Zusammenklang mit diesem Fremden, ein Zusammen-klang der doch zunächst nur<br />
rein gedankenmässig war, (denn ihn gleich zu lieben, verhinderte mich etwas wie ein Ressentiment,<br />
das ich gegen seine Reinheit und bei aller Bewegtheit doch Ruhe empfand), also er war nur<br />
gedanklich und doch ein so vollkom-mener Ein= und Mitklang, dass ich heute zum ersten Mal grad<br />
nachdem ich es so heftig abgestritten hatte, verspürte dass da doch etwas Institutionelles im Keimen<br />
ist. Hier konnte ich ja nichts aufs Private abschieben; ich kannte ihn ja nicht, kenne ihn auchjetzt<br />
noch kaum, obwohl wir sehr gut miteinander wurden. So wurde mir zum ersten Mal glaubhaft, was<br />
Hans und du <strong>Eugen</strong> meintet, als ihr den * zu euren Büchern haben wolltet. Für Menschen wie diesen<br />
Pfarrer wäre es gegangen. Aber solche Menschen finden ja auch, was im andem Garten wächst.<br />
Immerhin ich sehe nun, dass da mehr ist als eine geschichts-philosophische Konstruiererei. Als ich<br />
ihm übrigens im Laufe des Gesprächs (d.h. er redete meist und ich hörte und stimmte zu), also als<br />
ich ihm von meinerjungen Skepsis gegen alles Geschichtsvertheologisieren sprach, meinte er es sei<br />
ebenso sündhaft sich gegen solche Erkenntnisse wenn sie sich einem aufdrängten zuzusperren wie<br />
sie mit Gewalt ertrotzen wollen, wie nichts = geschenkt = nehmen = wollen genau so sündhaft wäre<br />
wie nehmen was einem nicht zukommt. Dagegen konnte (und kann) ich ja einfach nichts sagen, er<br />
hat einfach recht.<br />
Ich will also nun wirklich das was du <strong>Eugen</strong> das Institutionelle nennst, stehen lassen, Ich kann es<br />
nicht wie du laut rühmen, aber wenigstens kann ich auch nichts dagegen sagen und will es wachsen<br />
lassen wenn es wachsen will.<br />
Denn "das Wunder der blossen Gegenwart zweier vertrauender Menschen zeugt vielleicht eine<br />
neue Sprache?"<br />
[Franz an <strong>Eugen</strong>] 18.VII. <strong>1918</strong>.<br />
Das Fragezeichen, du damals hinter diesen Satz, der dir eben aufgestiegen war (aus einem "Aber<br />
vielleicht ist es anders"), schriebst, frage ich heute, - während es dir sich schon lange in einen Punkt<br />
verwandelt hatte und du nicht ertrugst, dass ich noch nicht einmal das Fragezeichen setzen mochte.<br />
Nun frage ich, wie du damals frugst. Und "obwohl wir das innerste Heiligtum des Glaubens<br />
gegenseitig vor einander zugesperrt haben und den Schauplatz des Höchsten, dessen ein männlicher<br />
Geist gedenkt, in zwei ewig getrennten Idiomen abbilden" ("a.a.O."), sollte trotzdem die "neue<br />
Sprache" wenigstens zwischen uns schon gewachsen sein? als eine Sprache der Hoffnung? und des<br />
Glaubens, der auf den Flügeln der Hoffnung emporgetragen wird; des Glaubens, den du "zu glauben<br />
hoffst"; und der ein andrer ist als der der uns über und vor aller Hoffnung gegeben wurde. Und durch<br />
den doch auch ein begeisternder Geist wehen muss, so gut wie durch jenen der "innersten<br />
Heiligtümer". Und freilich ist dies Wehen selber erst ein zukünftiges Wehen, und der Geist der durch<br />
die neue Sprache rauscht, rauscht erst leise wie aus weiter Ferne. Und wir müssen das Anschwellen<br />
wohl erwarten. Und uns indess weiter vertrauen, damit die neue Sprache diesen Sonnenschein der<br />
Liebe hat, unter dem allein sie wachsen mag.<br />
Liebet mich.<br />
Euer Franz.