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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 172 of 178<br />

Beckerath ins grüne Zimmer; er wird mir immer lieber. Ihr werdet einen bösen Umweg machen<br />

müssen, wenn auch Höchst nun gesperrt ist. Aber schliesslich werdet ihr doch grade zurecht<br />

kommen. - Liese Alsberg hat ihren Jungen ("Reinhard Georg"); er soll übermässig fertig sein, so als<br />

ob er die letzten Wochen nur noch Wärme hätte schinden wollen.<br />

Ich bin noch immer verwundert, dass ihr nicht mehr hier seid. Aber es ist beinahe gleich. Ich<br />

spüre euch noch ganz körperlich hier.<br />

Euer und Dein - Dein -<br />

24.XII.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, die röm. El. für Greda kamen, nicht in der guten Ausgabe die du bestellt hattest,<br />

weil die vergriffen war, sondern nur in der gewöhnlichen. Wir haben sie als Eilbrief abgeschickt, so<br />

dass sie sie vielleicht morgen schon hat. - Ich habe die neuen Anfangsseiten zur Einl.I fertig<br />

geschrieben; es sind wohl 6 Seiten Maschinenschrift und glaube ich grade richtig, präludiernd,<br />

aufregend und nichts vorwegnehmend. Sie handeln von der Todesangst und nebenher auch vom<br />

Selbstmord; ob sich die bisherige Einl. dann glatt anschliesst, kann ich nicht wissen, weil ich sie ja<br />

nicht hier habe. Dann werde ich morgen hoffentlich III 1 anfangen, das heisst die Überschrift und die<br />

ersten Sätze habe ich zur Sicherheit heute schon geschrieben. Voriges Jahr um diese Zeit vom<br />

23.-27. schrieb ich Thalatta. Mutter hat übrigens Beckerath gefragt, ob denn irgend etwas dran<br />

gewesen wäre an dem, was ich neulich vorgelesen hätte! - Ich sehe grade dein ...[MH] auf dem<br />

Löschblatt, mit dem ich eben löschte. Heut nachmittag kommt Hans und liest uns weiter aus seinem<br />

System vor. Ich fragte ihn übrigens gestern, wie er denn dazu käme, nach Leben - Tod - Anfang -<br />

Ende plötzlich "Gott" einzuführen. Da kam heraus, dass wir ihm neulich, <strong>Eugen</strong> besonders, Unrecht<br />

getan hatten. Denn er sagte, dies, dass er da für den Herrn von Leben und Tod, die Einheit von<br />

Anfang und Ende, den Namen Gott brächte, sei nicht Philosophie; sondern das komme von<br />

anderswoher in seine Philosophie hinein. Er redet sich also gar nicht ein, ihn philosophisch aus sich<br />

herauszuspinnen. Es war überhaupt ein wichtiges Gespräch. Denn er war vollkommen d'accord, als<br />

ich ihm sagte, wenn auch die Wahrheit heute "überkirchlich" wäre, so müsse doch das Leben<br />

kirchlich sein, in einer der wirklichen alten Kirchen geschehen. Er erklärte, er suche auch wirklich<br />

den Anschluss dorthin, daher sein (als Protestant) Interesse für die Sekten. Und er erzählte, als er<br />

1913 sich nicht kirchlich trauen lassen wollte, also auf dem Höhepunkt seiner Unkirchlichkeit, habe<br />

er gleichwohl in einem Brief an den Heidelberger (ihm befreundeten) Pfarrer Frommel, worin er das<br />

zu begründen suchte, schon gesagt, er glaube, in einigen Jahren vielleicht anders in diesem Punkte zu<br />

denken; er halte seinen jetzigen (1913er) Standpunkt nicht für endgültig. Und vor allem: er will<br />

übermorgen nach Göttingen, um - Rudi zu sagen, er dürfe nicht katholisch werden, die Predigten<br />

hätten ihn davon überzeugt. Aus diesem letzten seht ihr doch, dass er nicht mehr in einem Jenseits<br />

aller Kirchen lebt. Es kommt gewiss alles blutleer bei ihm heraus, oder genauer: nicht blutleer, aber<br />

zusammenhangslos, traditionslos, er hat eben wirklich keinen Grund und Boden unter sich und muss<br />

ihn sich deshalb immerzu selber erst mauern. Aber trotzdem - ich hatte das Gefühl, dass er uns doch<br />

viel näher steht als wir wussten und wahrhaben wollten.<br />

Jetzt seid ihr sicher schon zuhause. Ein Telegramm und eine Karte von euch kamen. - Das

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