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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 78 of 178<br />

und das m n o geschwänzt hat. Bei aller Ferne habe ich mich ihr nie so nah gefühlt. Freilich, auch<br />

Nähe ist noch nichts, wenn die Brücke fehlt. Und die fehlt. Ich komme jetzt in der Tiefe noch<br />

weniger zu ihr als früher auf der Oberfläche.<br />

Ich schrieb gestern noch an <strong>Eugen</strong>, den Brief den ich dir zu dem Bild beilegte. Nicht den Brief<br />

den ich ihm schuldig bin, sondern einen armen Brief, wenn auch verschämte Armut. Er müsste in<br />

seinem Unbewussten sehr feinhörig sein, wenn diese ärmliche Stimme die seine zum Tönen bringen<br />

sollte. Aber vielleicht braucht ihm die "andre Stimme" gar nicht laut und voll zu klingen, sondern<br />

nur überhaupt; vielleicht ist das Gleichnis so gemeint. Und vielleicht irre ich mich auch. Das Gestern<br />

ist mir jetzt manchmal ganz weit abgerückt, schon am nächsten Tag. Wenigstens die Worte, die mir,<br />

arm oder reich, hervorbrechen. Das Gefühl ist ein einziger unveränderlicher Orgelpunkt darunter<br />

weg, ein Akkord im forte von Takt zu Takt, von Tag zu Tag gleichmässig forttönend. Du hörst den<br />

Ton darin, der dir zuklingt, gleichmässig pausenlos und unveränderlich - :<br />

Dein.<br />

28.VI.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, "so muss denn doch die Hexe ran"; der Notfall ist gegeben, wenigstens sehr<br />

wahrscheinlich. Ich bitte dich also nun selber: fahr nach Brotterode u.s.w. Wie du es mit "Tante<br />

Paula" machen willst - ich habe keine Ahnung. Aber es wird ja schon gehen. Wir sind dann in Berlin<br />

zwischen den Zügen zusammen und du fährst mit; ob bis Kassel oder wie sonst, das lässt sich ja<br />

wohl vorher nicht ausmachen. Und geht es nicht, dann muss etwas aus Dresden werden. - Es ist<br />

scheusslich, aber es wird doch schön werden; und uns gar nicht sehen - nein das wäre unmöglich.<br />

Auch Rudi darf nicht in der von ihm geplanten Massenhaftigkeit anrücken, wenigstens nicht grade<br />

wenn ich da bin; vorher ja, das wäre schön für Mutter. Ich habe ihm geschrieben, er möchte allein<br />

und nur, wenn ich nicht 12 sondern 36 Stunden in Kassel bin kommen und also auch dann nur für<br />

einen halben Tag. Arglistigerweise habe ich zugefügt, ich würde "sogar dich veranlassen, dich an<br />

dem Tag zu verflüchtigen, etwa nach Göttingen zu ihnen" !!! Du wirst dich ja nun freilich<br />

"verflüchtigen", um Mutters willen, aber nicht nach Göttingen. Vor allem, wenn es gar nichts mit<br />

Kassel wird (auch möglich!), dann kannst du von Br. aus nach Dresden kommen, von Kassel aus<br />

doch kaum. - Es ist ja für Mutter vor allem nötig, dass sie das Bewusstsein hat, mich allein für sich<br />

zu haben. Komme ich gar nicht, so hat mich "wenigstens auch niemand anders gehabt". Das ist die -<br />

unbewusste - Logik ihres eifersüchtigen Herzens; was will man dagegen machen. Aber wird es denn<br />

auch gehen? weisst du schon, wie du es machen willst?<br />

Aber das sind ja dumme Fragen. Ich möchte dir danken dürfen, dass du es tun willst aber wie<br />

kann ich dir dafür "danken", es geschieht ja nur so für mich wie für dich und in uns beiden auch für<br />

ihn. Wer begreift das, ausser uns? Und so muss "die Hexe ran".<br />

Vor allem gieb mir die Adresse an, wie ich dir nach Brotterode telegrafieren kann, und wie<br />

nach Berlin.<br />

Hans schickte mir heute einen wunderbaren Brief von <strong>Eugen</strong>, den letzten (vom Pfingstmontag!) -<br />

Ich bringe ihn dir mit. Freilich - ein Näherkommen wohl von beiden Seiten gleich unmöglich. Wie

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