Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 153 of 178<br />
Du (oder wohl <strong>Eugen</strong> durch deinen Mund) also du hast ja durchaus recht, dass das eigentlich<br />
Furchtbarste, der "Notenwechsel mit Wilson" und die zu diesem Pfeifetanzen gebildete Regierung<br />
jetzt überwunden ist. Sie haben draussen jetzt wieder Angst vor uns. Unser besiegtester Monat war<br />
der Oktober. Und das, ich meine diese Veränderung zum Besseren, haben mit ihrem Russisch<br />
(Russisch, weisst du Aljoscha, nicht wie ein europäisches Pensionsmädchen!) die Bolschewisten<br />
getan. Aber wie ist mir denn, dass nun ich, der ich seit Jahren Russland und immer wieder Russland<br />
profezeie und während des ganzen Kriegs von Anfang an Mr. Chauvin, wo er mir begegnete (z.B.<br />
"Tante Paula") brusquiert habe, indem ich ihm sagte, was wahr war: dass für mich persönlich die<br />
Russen seit Jahren, oder vielmehr nicht die Russen sondern der, Dostojewski unendlich viel mehr<br />
bedeuteten als Goethe et hoc genus omne - dass nun wo meine Profezeiung eintritt, ich nun plötzlich<br />
nicht mitkann, sondern in der "Nanie" mit <strong>Eugen</strong> zu reden, stecken bleibe.??? Vielleicht fehlt es mir,<br />
dass ich weder Breitscheid noch Burfelde kenne. Oder doch einfach, dass zwar in meinen<br />
entscheidenden Jahren (die mich ent = schieden) es die Russen waren, aber in den grundlegenden<br />
zuvor doch "die Griechen" und ihre Statthalter auf Erden, die Deutschen von 1800.<br />
I ken not help it - ach, und England! Was für ein pêle- mêle der Sprachen, ein rechtes Babel.<br />
Ich krieche bei deiner Stummheit unter, einen Augenblick - und einen stummen Augen =<br />
blick,liebes <strong>Gritli</strong>,<br />
--- Dein Franz.<br />
13.XI.[18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, morgen werde ich wohl mit II 2 fertig; die Kunstlehre läuft mir so auseinander,<br />
obwohl sie mich eigentlich gar nicht interessiert und ich ein etwas schlechtes Gewissen habe, dass<br />
ich so ausführlich darin werde. Andrerseits ist sie ja ganz gut als ein weltliches Intermezzo in diesem<br />
sonst rein geist= und sinnlichen Buch II 2. Wenn ich es nun fertig habe, bin ich etwas mehr fähig<br />
nach Kassel zu fahren. So am Anfang eines neuen Abschnitts geht es immer besser als am Ende; da<br />
kann man sich die Arbeit auch eher einteilen; gegen Ende hat sie immer ihre eigene<br />
Geschwindigkeit, die zunimmt wie beim Fall. - München muss bleiben falls nur das Hochland und -<br />
das bayr. Zentrum die jetzigen Ereignisse überleben. Ich glaube etwas an eine süddeutsche<br />
Gegenrevolution. Wenn sie von Baden ausginge - was für eine "Raumgleichung" zu 1849! damals<br />
NO gegen SW, jetzt umgekehrt; es ist doch sonderbar, dass der Grossherzog noch da ist. Was dabei<br />
herauskäme, wäre freilich, da es nur mit französ. Hülfe gelingen könnte, ein Rheinbund, kein<br />
deutsches Reich. Aber wer denkt auch noch an so antiquierte Gegenstände wie das Dt.Reich. Nur<br />
"Ghibellinen" - und selbst die sitzen in Soldatenräten.<br />
In Rudis Brief hat mich die Stelle über meinen Brief von vorigem Jahr frappiert. Ich hätte nämlich<br />
den Inhalt nicht mit einem Wort angeben können, er ist aber vollkommen richtig so, und passt auch<br />
vollständig auf das aus jener Keimzelle hervorgewachsene bzw. = wachsende grosse Gewächs. "eine<br />
Tatsache, ein Grund wie die Schöpfung es ist" - ich wusste gar nicht mehr, dass das schon damals in<br />
meinen Brief so gestanden haben muss. Der ganze * geht ja wirklich nur um den einen Begriff der<br />
Tatsächlichkeit. Die Tatsache, das factum erst befreit einen von der blossen visio, zu deutsch -