Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 117 of 178<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, kennst du das Papier? (die selbstgemachte Tinte steht nicht schön darauf). Ich sah<br />
nämlich eben meine Vorräte durch, von welchem tintenfähigen Papier ich wohl noch genug hätte,<br />
um ev. I 1 darauf abzuschreiben; ich war schon beinahe entschlossen, dir "unser" braunes zu<br />
entziehn, da fiel mir dies vergessene Ölkrüglein noch ein; es ist, auch ohne Wunder, noch genug da<br />
für 20 Druckseiten. Nun kann ich den Rest des braunen noch an dich verschreiben und bis dahin<br />
wird Mutter hoffentlich auf meinen Notschrei reagiert haben (denn in den Feldbuchhandlungen u.<br />
Marketendereien "hier" giebt es schon seit Wochen weder Papier noch Tinte noch Federhalter -<br />
obwohl <strong>Eugen</strong> sagen wird: Papier etc. giebt es in Feldb. u. Mark. immer). So kommt also "Gott oder<br />
das Metaphysische" (die Fremdworte in der Überschrift ärgern mich seit gestern) auf dies Papier.<br />
Wenn. Das ist nämlich immer unsicherer. So umfangreiche und vor allem so pessimistische<br />
Vorbereitungen wie jetzt habe ich hier noch nicht erlebt. Ich habe zwar leichtsinniger Weise heute<br />
wirklich I 2 angefangen, aber ich glaube nicht dass ich es noch in einem Zug zuende kriege.Eben<br />
habe ich auch Briefe verpackt, um sie heimzuschicken, deine gehen an Dr. A.Bund m.Br. Frau<br />
Gertrud Oppenheim; ich will sie nicht den hiesigen Eventualitäten aussetzen, nur den Brief mit dem<br />
Geschenk von dem kleinen blassblonden <strong>Gritli</strong> habe ich behalten - liebes grosses zwiefarben<br />
nachgedunkeltes -----<br />
Sehr feierlich kann ich das Bevorstehende hier nicht nehmen. Durch das Buch lebe ich jetzt<br />
zusehr auf Monate hinaus, als dass ich mir mehr als höchstens eine kleine Unterbrechung vorstellen<br />
könnte. Die Abschrift der, wirklich nur mässigen, Einleitung wird hoffentlich morgen fertig, sodass<br />
sie an Hans gehen kann. Und heut Abend kommst du wieder - du kannst es wirklich ruhig riskieren,<br />
das Land ist hinreissend schön, auch in dieser brennenden Hitze, am schönsten abends wenn die<br />
nahen Berge in der klaren nackten Plastik des Sonnenuntergangs stehen - man geht über einen Berg<br />
hinüber, - die Sonne ist schon hinunter, - die weite Ebene dämmert und die fernen begrenzenden<br />
Berge schweben ganz körperlos wie blauschwarze Schatten in die Nacht hinein. Ich laufe immer ein<br />
paar Minuten hinter den andern her, damit ich das alleine habe, ohne Volksgemurmel.<br />
Auf Wiedersehn heut Abend, <strong>Gritli</strong> –<br />
Dein.<br />
9.9.18.<br />
Lieber <strong>Eugen</strong>, über den Unterschied von "geistig" und "geistlich" - ja worüber schreiben wir denn<br />
sonst? es ist doch unser einziges Thema. Weshalb sind wir denn auf Hegel so fuchtig? doch bloss<br />
weil er diesen Unterschied nicht weiss. Die Einordnung der Religion als Teilgebiet stammt sogar von<br />
ihm. Aber mit dem blossen Nunwiederherausnehmen ist es nicht getan. Das hast ja eben du mich<br />
gelehrt. Sie gehört eben doch auch hinein, oder umgekehrt es in sie. Ich stecke ja wie du weisst so bis<br />
über die Ohren jetzt grade in diesen Gedanken, dass ich kaum darüber schreiben kann. Aber es ist<br />
das Thema.<br />
Mit der Rolle, die du den Jesuiten jetzt giebst, bin ich wohl zufrieden; aber kannst du mit<br />
solchen Burgwächtern was anfangen? hast du sie wirklich nötig? ich glaube doch nicht.<br />
Was tut Weizsäcker. Ist die Naturphilosophie ins Inhaltliche gediehen?