Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 86 of 178<br />
höchst sachlicher Weise doch nur das Persönliche aufs Korn nimmt. Und das Persönliche ist durch<br />
eine sachliche Klarstellung noch nicht gerettet.<br />
"Gegen" Mutter habe ich eine unvermutete Bundesgenossin gefunden: eine Kassler Dame, Frau<br />
Giulini, mir nur von (vielem) Hörensagen bekannt wie die meisten Menschen meiner Eltern, hat ihr<br />
ein Wort gesagt, das ihr auch wirklich eingegangen ist: Man kommt mit andern Freunden aus einem<br />
Unglück heraus als man hineingegangen ist. Das ist ja genau was ich ihr immerzu sage und eine<br />
prachtvolle Formulierung. Ich hoffe jetzt doch wieder, dass sie durchkommt. Manchmal hatte ich es<br />
jetzt aufgegeben. Du warst vielleicht in der schlimmsten Zeit bei ihr.<br />
Beckeraths waren in Kassel. Nach Detmold gehen sie nicht. - Ende August besucht Frau Cohen<br />
Mutter.<br />
Dies ist ein durcheinandriger Brief. Ich kann dir noch nicht wieder schreiben. Du bist bei mir,<br />
aber stumm. Müsste mir das nicht genügen? Aber es genügt mir nicht. In ein paar Tagen sprichst du<br />
wieder zu mir. Es ist unrecht, dass ich mich auf den 15ten freue, vor dem du dich ängstigen musst,<br />
und die Tage herumwünsche, die du in die Länge ziehen möchtest. Aber vielleicht bleibt <strong>Eugen</strong> noch<br />
zur Kur, dann liefen meine Wünsche nicht gegen deine. Es war eben doch ein gewaltsamer Gedanke<br />
- das mit dem Nichtschreiben. Und alles Gewaltsame - nein wir müssen fügsam sein. Was hilft alles<br />
Wollen. Im Ganzen nichts, aber im Einzelnen auch nichts. Man soll sich auch für "14 Tage" keine<br />
Vorschriften machen. Man weiss ja nicht, wie lang oder kurz "14 Tage" sind. Nein: ohne Willen, -<br />
aber auch ohne Willenslosigkeit. Müssen. Das Müssen allein braucht sich nicht zu fürchten und zu<br />
fragen ob seine Kräfte auch für "14 Tage" ausreichen. Es ist grade so stark als es jeweils sein - muss.<br />
Ich habe dich lieb.<br />
Franz.<br />
12.VIII.[18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, dies ist der betrübte Rest des Warschauer Papiers; er soll doch noch an dich<br />
verschrieben werden. Gestern kam abends noch eine Freude: <strong>Eugen</strong>s Brief vom 4. (sogar vom 5.<br />
gestempelt, so schnell geht es also doch!) und also ein Ton von euch; ich hatte doch mehr danach<br />
gebarmt, als ich selber wusste. Obwohl doch nur ein Mal das Wort "wir" drin stand (ihr läset Rankes<br />
Königsvorträge) - aber nun war ich doch für einen Augenblick bei euch, trotz meiner dummen<br />
freiwilligen Selbstverbannung, und sah euch.Ihm selbst schreibe ich morgen oder wenn ich das Heft<br />
der "Stimmen der Zeit" aus habe. Ich meine gar nicht, dass das "seine Zeitschrift" ist, wie er schreibt.<br />
Selbst das Beste darin oder eigentlich das einzige Gute, der erste Aufsatz (über die Ehe) ist noch<br />
gefangen in theologischer Schulsprache, und alles andre ist übrhaupt gefesselt, nicht bloss im Wort,<br />
sondern im Denken selbst. Aber ich will mir nicht vorgreifen und alles erst richtig lesen. Es ist ein<br />
grosser Jammer, dass die Schwarzen genau so wenig wie die Roten und die Goldenen in ihrer Masse<br />
schon begriffen haben, dass ihnen die Zeit gehört und dass sie nur zuzugreifen brauchten, so hätten<br />
sie sie in der Hand. Statt dessen sagen sie ihre Lektion auf, halten die Hände ängstlich auf dem<br />
Rücken gefaltet und inzwischen läuft sie ihnen davon. Aber wirklich genug davon.<br />
Von der franziskanisch = jakobitischen Pulververschwörung gegen bzw. für seine Professur