Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 167 of 178<br />
Den Hegel gedruckt zu sehen, lockt mich jetzt doch ein bischen. Es ist doch ganz hübsch, der<br />
"Verfasser von ..." zu sein. - J.Cohn hat mich übrigens neulich des längeren über die Schwierigkeiten<br />
einer "Religionsphilosophie" unterhalten. Er leugnete natürlich die Notwendigkeit oder auch nur<br />
Wünschbarkeit eines positiven Standorts für den Verfasser; und ich behauptete sie natürlich, (weil<br />
Erkennen ohne Wiedererkennen - "ach das ist ja das und das!" - gar kein gewisses Erkennen sein<br />
könne). Und dann sagte er, die grösste Schwierigkeit dabei sei "die Wertfremdheit der Natur" (das ist<br />
hiesiger Jargon; er verdeutschte es dann auf mein Gesicht hin selbst: die Grausamkeit der Natur); ich<br />
meinte: ja, also theologisch gesprochen, dass Gott erst die Welt geschaffen hat und nicht gleich mit<br />
der Offenbarung angefangen. - Ich bin also wirklich klüger als vor 3 Monaten (solang schreibe ich<br />
nun schon!), aber besser eigentlich nicht.<br />
Zum Ausgleich sei du mir wenigstens - - gut!<br />
Dein Franz.<br />
26.XI.[18]<br />
Liebes <strong>Gritli</strong>, heut kam dein Eilbrief (ein Telegramm ist nicht angekommen). (Und eben ist es<br />
doch angekommen; ich komme grad von Cohn; ich habe plötzlich einen Schnupfen gekriegt und war<br />
deshalb ein paar Mal verdutzt und konnte nicht antworten wie ich wollte; aber er ist ein reizender<br />
Mensch - und würde diese Bezeichnung glaube ich noch nicht einmal sehr übel nehmen. Es war sehr<br />
schön heut Morgen wie dein Brief kam ; ich dampfte grade vor Arbeit. Ich bin jetzt schön in II 3<br />
drin. Die Schwierigkeit ist ja dabei, dass Einl.III noch nicht geschrieben ist, und da kommt einiges<br />
erst deutlich heraus; es ist das umgekehrte Verhältnis wie zwischen Einl.II und II 1. (Was ja <strong>Eugen</strong><br />
schon sah, als er bloss das Programm kannte). Was drin vorkommt? Nun: - der Heilige, das Reich,<br />
Danken, Bitten, Nächstenliebe, Gericht - nicht in dieser Reihenfolge und ohne Garantie für<br />
Vollständigkeit. Die Grammatik ist in Form einer Chorkantate (in II 2 eines Dialogs, in II 1 einer<br />
Erzählung). Morgen kommt die Kunstlehre des Teils, übermorgen die Grammatik des Schrifttextes,<br />
wahrscheinlich doch Ps.73, obwohl der an der Grenze steht. Eine Unterbrechung jetzt, das wäre<br />
schade gewesen, es wäre wie ein Vonvornanfangen. So werde ich ev. ganz gut ein paar Tage in<br />
Kassel erst pausieren können. Und ausserdem ist Mündel heute mit der Abschrift von II 2 erst bei<br />
Seite 20, und muss also noch ca 50-60 Seiten schreiben. Ich möchte es dir auf jeden Fall mitbringen<br />
und scheue mich fast es mit der Post gehen zu lassen. - Der Übergang wird wieder kurz, etwa 15<br />
Seiten; den schreibe ich vielleicht wirklich auf dem Übergang von hier nach Kassel. Und wenn ihr zu<br />
Weihnachten nach Säckingen geht, 14 Tage vom Dezember sind wir doch mindestens zusammen<br />
oder 3 Wochen. Nachher würde ich dann wieder nach Freiburg fahren um mit Mündel den Rest zu<br />
lesen und den Schluss zu schreiben; wenigstens wenn bis dahin Freiburg noch nicht okkupiert ist;<br />
und dann käme ich nach Säckingen herüber, wenn ihr noch da seid, und auch so. Weisst du dass es<br />
mir wirklich leid tut, nicht jetzt hinzukommen? Ich wäre gern ohne euch oder speziell ohne dich das<br />
erste Mal da gewesen. Die Vergangenheit sieht man nicht wenn die Gegenwart da ist. Sieh, zu<br />
Kantorowicz muss ich nun doch noch einmal gehen, vielleicht schon morgen, wegen deines Bildes.<br />
Heut morgen dachte ich ich müsste gleich fahren, aber kaum schrieb ich wieder da war es auch schon<br />
wieder vorüber. Und vor Sonnabend werde ich nun kaum auf der Bahn sitzen, ja vor Sonntag. Dein<br />
Telegramm war aufgenommen am 26.11. 630 nachmitt.! da muss irgend ein Kobold dazwischen