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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 85 of 178<br />

aber nur Kestners; etwas Bezahltes, künstlich erst Gesuchtes wäre mir undenkbar; Kestners, nicht<br />

Hanna allein, wie ich zuerst gedacht hatte; die einzige Schwierigkeit ist die Capelle. Wenn ich, d.h.<br />

ich habe Mutter heut darüber geschrieben und wenn sie es für gut hält spricht sie selbst mit K's<br />

darüber, - sonst also werde ich es weitertreiben, wenn ich auf Urlaub bin. Das wird nämlich "an sich"<br />

wahrscheinlich schon im Oktober sein, aber allerdings - vielleicht auch erst nach wer weiss wie<br />

langer Zeit, dann noch viel wahrscheinlicher werde ich vorher - Infanterist werden. Ich habe immer<br />

vergessen, es dir zu schreiben. Mutter darf natürlich nichts davon wissen, solange noch eine<br />

Möglichkeit ist dass das Gewitter doch noch vorübergeht. Nämlich es werden infanterie taugliche<br />

Leute herausgezogen, auch aus den Flakformationen, schon in den allernächsten Wochen; es sind<br />

zwar eine ganze Menge bei uns, mehr jedenfalls als wir hergeben müssen, aber da ich der bin, der am<br />

wenigsten zeigen darf, wie unangenehm es ihm ist, so bin ich prädestiniert und rechne schon damit<br />

als sicher, geniesse diese zeitreichen Tage als die vielleicht letzten derartigen, die ich in diesem<br />

Krieg habe. An sich ists ja schliesslich recht und billig, dass ich nach meinem bisher so unverschämt<br />

günstigen Kriegsschicksal nun auch mal in den Dreck komme. Aber schade ists doch. Schon in<br />

Warschau war mir der Dienst zu viel und ich kam zu nichts. Übrigens Warschau: ich habe doch<br />

bestanden; der Schreiber dort hatte sich geirrt.<br />

Soviel Militärisches wie in den vorstehenden Absätzen habe ich dir glaube ich in all meinen<br />

Briefen zusammen noch nicht geschrieben. Meine Schrift ist auch ganz krakelig geworden bei dem<br />

unangenehmen Gegenstand. Also vorläufig geniesse ich noch das Leben, vertilge täglich einen Band<br />

"aus Natur u. Geisteswelt", lasse mirs in der prachtvollen trockenen Wärme wohl sein, und tilge<br />

Briefschulden, gestern die sehr hoch aufgelaufenen an Hans, das geht nun seit Ende 17, ja eigentlich<br />

seit wir uns im Juni 17 in Berlin sahen, und führt doch zu nichts; ich habe das Gefühl wie bei einer<br />

"litterarischen Fehde"; es ist kein Du darin; und so bleibt alles schal - und Schale.<br />

Im "Kern der Welt" - Dein Franz.<br />

[11.VIII.18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, wo magst du jetzt sein? d.h. dieses "jetzt" dabei denke ich nicht an heute den<br />

11.VIII. sondern unwillkürlich 10 Tage weiter wenn du diesen Brief kriegst. Um das wirkliche Jetzt<br />

laufe ich auch in meinen Gedanken auf Filzschuhen herum, "um nicht zu stören". Die richtige<br />

Briefaskese hat eigentlich erst angefangen seit ich dir wieder schreibe, und ich wollte, es wäre erst<br />

der 15te.<br />

Was ich dir gestern - mal wieder - schrieb mit Hans - vielleicht ist ein Stück schlechtes<br />

Gewissen oder Dankfaulheit in meinem Unzufriedensein. Denn eigentlich gehen mir seine Fragen an<br />

die Wurzel und sind ganz einfach; und ich antworte ihm weniger einfach und sachlich, als er fragt.<br />

Vielleicht müsste ich sein Fragen ein gutes Stück ernster nehmen und mich nicht hinter den Ärger<br />

über seine Unpersönlichkeit, das "Interviewerhafte", zurückziehen, wie ichs immer wieder tue.<br />

Vielleicht sind es allerdings auch Fragen, auf die ich mit Antworten nicht antworten kann, sondern<br />

denen ich mich durch die Tat entziehen müsste. Seine Stellung ist insofern stärker und gefährlicher<br />

für mich als <strong>Eugen</strong>s 1916er, als er nicht das, sondern nur mein Judentum in Frage stellt (was <strong>Eugen</strong><br />

zwar auch tut, aber mehr auf Grund der ersten Infragestellung). Also eigentlich grade weil er in

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