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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 112 of 178<br />

das sind Äusserungen eines gleichen Inneren; aber jede Predigt als Ganzes ist nur eine Station auf<br />

dem Wege). Mit Hans konnte es nur "Auseinander-setzung" geben; aber wenn er sich zu Rudi nicht<br />

findet, so wäre das einfach eine Blamage für ihn (nicht für Rudi, der hat sich längst zu ihm<br />

gefunden), nämlich ein Beweis, dass er trotz allen gegenteiligen Schwüren doch verlangt, dass man<br />

ihm gelehrt = ebenbürtig dialektisch dient; und das kann Rudi freilich nicht, denn er ist Dichter und<br />

Mediziner und in beiden Eigenschaften hat er das Dialektische nicht gelernt. Wenn er hier nicht<br />

durch die Hülle der Worte durchstösst, so glaube ich ihm sein Mannschaftshaus und alles<br />

dergleichen nicht mehr; dann hat er sich da nur durch die bequeme Zwangsgewaltstellung des<br />

Offiziers, dem man ja nicht davonlaufen ja ihn noch nichtmal angähnen kann, selbstbelogen; dann ist<br />

er ein Gelehrter, der nur Gelehrtes versteht. Eh bien - und da das alles Unsinn ist, so muss er eben<br />

auch an Rudi herankommen und Rudi, der gegenwärtige Rudi, steckt ganz in den Predigten, wenn<br />

man sie nur auch richtig als ein Ganzes (oder vielleicht Fragment eines Ganzen) liest. Dies ist ja ein<br />

richtiger Erpresserbrief und es ist gut dass dieser Passus in dem Brief an dich steht und nicht an ihn;<br />

kau ihn erst gut vor, ehe du ihn ihm gelegentlich weitergiebst. Überhaupt - aber es ist doch<br />

sonderbar, jetzt im Krieg sieht man in so etwas was man im Frieden nur tragisch genommen hätte<br />

fast mehr die gute Seite, dass er doch nun auf Monate, wahrscheinlich auf viele Monate zuhause sein<br />

wird und möchte ihm beinahe gratulieren. Denn schliesslich, da es doch keinen Frieden mehr geben<br />

wird, was bleibt einem eigentlich andres übrig. Die augenblickliche Verschlimmerung wird ja<br />

vorüber sein bis dieser Brief bei euch ist und danach kommt dann die lange Zeit, die rein aufs<br />

Gewinnkonto gehört. Denn das es etwas wirklich Schlimmes wird, mag ich nicht glauben; ich lasse<br />

mich lieber von deinem eigenen p=flegmatischen Optimismus tragen. Mach ihm einmal leise, ohne<br />

dass er es weiss (weil es sich ja nicht gehört), auch eine Eia von mir, so unauffällig zwischen deinen<br />

eigenen. Und sei nicht traurig, wirklich nicht. Sei gut.<br />

Ich habe dich lieb.<br />

Dein Franz.<br />

3.9.18<br />

Lieber <strong>Eugen</strong>, die Gleichzeitigkeit geht weiter; gestern verteidigte ich die Universität gegen dich<br />

und heut lobst du die protestantischen Universitäten und möchtest gern daran bleiben. Aber ich<br />

fürchte, das ginge nur wenn du Anlass gäbest, dich als "Historiker" oder "Philosophen" zu rufen -<br />

eben wieder ausserhalb deiner Fakultät. Diesen Anlass hast du aber noch nicht gegeben. Das<br />

Revolutionsbuch wäre vielleicht ein Anlass. Dabei denke ich freilich immer an eine peripherische<br />

(Schweiz, Österreich bis Cernowitz einschliesslich). Schreib doch das Revolutionsbuch. Denk dir<br />

einen widersetzlichen ungläubigen Leser, dem du alles sehr breit und mit beruhigenden<br />

Anknüpfungen an schon von andern Gesagtes sagen musst - und fang an. (Diesmal sag ich: Fanget<br />

an). Die Anknüpfung an 1914 muss bleiben, und wäre die nicht, würdest du ja auch nicht schreiben<br />

können. Noch einen guten Rat: schreib die Tabellen nicht in Tabellenform, sondern (trotz<br />

Papiermangels) in Sprachform. Ein Buch mit Tabellen liest man nicht, sondern bekuckt die Tabellen,<br />

sagt: Konstruktion, und klappt zu. - Die Politeia (du meinst wohl die Politik) habe ich aus den von<br />

dir angegebenen Gründen noch nie bis zu Ende gelesen; ausserdem wegen des Krieges; angefangen<br />

habe ich sie mit Beckerath in Form von Moselweinabenden in Berlin, weitergelesen mit Putzi ohne

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