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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 128 of 178<br />

gefunden. Sie kam als Abschluss eines langen Gedankengewindes plötzlich heraus. Dieses Buch II<br />

wird gar nicht schwer zu lesen. Ob es dennoch noch jemand versteht ausser dir? Auf Buch III bin ich<br />

immer neugieriger; der Vorhang der noch davorhängt will sich nicht heben.<br />

Gute Nacht, liebes <strong>Gritli</strong>.<br />

Dein Franz.<br />

4.10.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, heut vor einem Jahr hast du mir geschrieben, ich weiss es zufällig noch genau weil<br />

du auf meinen katholischen Namensheiligen anspieltest. Ich bin gestern Abend noch mit dem<br />

Übergangskapitel fertig geworden; es wurde noch ziemlich doll, und die Nacht konnte ich dann nach<br />

Mitternacht nicht mehr schlafen, so waren alle Geister losgelassen, ich hätte heraus auf einen<br />

"gewissen Ort" gemusst, wagte es aber nicht, über den Korridor zu gehn, in der haltlosen Aufregung<br />

in der ich war; das sind so Augenblicke wo man Doppelgänger sieht und dergleichen, weil man in<br />

seinem Körper nicht mehr recht fest angeleimt ist. Es kam alles daher, dass ich zwischen zwei Teilen<br />

war und dass infolgedessen der Stern, der während der Einzelarbeit an den einzelnen Büchern, wie<br />

du ja weisst, mir verblasst war, plötzlich wieder so stark aufstrahlte wie in den ersten Tagen als es<br />

anfing. Ich sah ihn wieder mit Augen und alles Einzelne in ihm. Wie ichs nachher am Morgen<br />

aufzuschreiben versuchte, war es ganz dürftig und kaum mehr als was ich schon am Abend<br />

wenigstens fragmentarisch notiert hatte. Das kenne ich nun aber schon; diese Dürftigkeit des<br />

lendemain ist nur Schein; der Reichtum des unmittelbaren Schauens ist Wahrheit und bewahrheitet<br />

sich später bei der Ausführung. So war auch das was ich, jetzt auch bald genau vor einem Jahr am<br />

Tage nach der Nacht in der jetzt französischgewordenen Ebene aufzuschreiben suchte, - woraus<br />

später der Rudibrief und alles wurde - ganz dürftig, sodass ich nicht wusste, wo der scheinbare<br />

Reichtum der nächtlichen Gesichte hingekommen war. Also ich sah den Stern und<br />

merkwürdigerweise drehte er sich um sich selbst und darin war alles was ich noch zu schreiben habe,<br />

zu sehn. Heut früh habe ich dann die Einleitung zum zweiten Teil angefangen, ein kaltes Sturzbad<br />

nach der Nacht und schon nach dem "Übergangs" = Kapitel. Der Titel der 2.Einl. ist etwas verändert:<br />

statt "Gott", heisst es "das Wunder". Jetzt geht es also ein paar Tage wieder im wissenschaftlichen<br />

Feuilletonstyl. Ich will dir der Komik halber die letzten Worte des I. und die ersten des II.Teils (also<br />

den Schluss des "Übergang" und den Anfang der "Einleitung") herschreiben: "Dieses<br />

Offenbarwerden des immerwährenden Geheimnisses der Schöpfung ist das allzeiterneuerte Wunder<br />

der Offenbarung. Wir stehen an dem Übergang, - dem Übergang des Geheimnisses in das Wunder".<br />

"Wenn wirklich das Wunder des Glaubens liebstes Kind ist, so hat dieser seine Vaterpflichten,<br />

mindestens seit einiger Zeit, arg vernachlässigt". U.s.w. in diesem frivolen Ton.<br />

Aber nun genug von der Eingabe ans himmlische Parlament. Diese Nacht "zwischen den<br />

Teilen" wieder im unmittelbaren Anblick des Ganzen hatte ich nötig gehabt.<br />

Vielleicht rutsche ich auf der schiefen Ebene, auf die ich nun einmal geraten bin, für ein paar<br />

Tage bis Deutschland? Was sagst du dazu? Ach <strong>Gritli</strong> - und überhaupt. Ich habe dir auch in dieser<br />

langen Nacht gegen Morgen einen langen Brief gesprochen - ich weiss nicht mehr, was darin stand.

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