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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 19 of 178<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, die Menschen reden immer wieder so kühl klug als ob sie sich, einer den andern,<br />

sehen könnten. Und dann erfahren sie immer wieder, dass es kein Einandersehen giebt, sondern<br />

immer gleich ein Einanderfühlen. Wir leben soviel dichter aufeinander als wir wahrhaben wollen.<br />

Jede Saite schwingt ihre Schwingungen für sich, aber schon in der Luft ist es aus allen Saiten nur<br />

Eine Schwingung geworden. Keine bleibt für sich. Es giebt keine Zuschauer, soll keine geben. Wer<br />

meint, sich das Anrecht auf einen Parkettplatz gekauft zu haben, zu dem kommt mitten im Spiel der<br />

Theaterdiener und bittet den Herrn, sich doch gefälligst auf die Bühne begeben zu wollen und<br />

mitzuspielen.<br />

Ich komme nicht zurecht mit dem was du mir von <strong>Eugen</strong> schriebst, trotz allem und allem. Wäre<br />

nur diese unglückliche Postsperre vorüber. Du hast mir so gut zugesprochen und trotzdem - es bleibt<br />

ein Rest. Mein Herz ist bei deinen Tränen ..[unleserlich] bei deinem Lätare, - aber näher doch bei<br />

den Tränen[?]. Ps 130,6.<br />

Sei gut.<br />

Franz.<br />

19.3.[18]<br />

Liebe, mir ist schwer, sehr schwer zu mut. Ich warte auf die heutige Post mit Furcht und Zittern,<br />

als ob sie mir ein Orakel bringen sollte. Und dabei kann sie gar keins bringen, denn von dir und mir<br />

weiss ich ja, und <strong>Eugen</strong> sitzt hinter der Postsperre. Oder sollte mir schon der eine Satz genügen?<br />

müsste er nicht? Mein ganzes Gefühl ruht auf dem breiten Rücken seiner Liebe zu mir; wenn er mir<br />

den wegzieht, so fällt es ins Bodenlose; wieviel von mir mitfällt, weiss ich nicht. Empfindet er nicht<br />

das ganz Besondere zwischen mir ihm dir, empfindet er bloss das Natürliche, bloss das was "man" in<br />

so einem Fall empfindet - dann sind wir nicht über Paganinis Geige gespannt, sondern über irgend<br />

eine; und dann - dann ist uns das Gestz gegeben wie irgend einem. Es liegt alles bei <strong>Eugen</strong>, ich<br />

brauche seine Hand wie du sie brauchst (und jetzt mehr denn je), nicht zwar dass sie mich hält, aber<br />

dass er mir sie lässt.<br />

Ich weiss nicht, zum ersten Mal seit ich dir scheibe, ob ich diesen Brief abschicken soll. Also<br />

wohl grade.<br />

<strong>Gritli</strong> --------------<br />

19.III.[18]<br />

Und nun kam das Orakel und war so unzweideutig und gut, und am besten das was aussen auf<br />

dem Couvert stand obwohl es doch nur Etikett war, nicht der Wein selbst (aber dir glaube ich den<br />

Wein auch auf das Etikett hin). Es war mir so bitternotwendig zu wissen, dass ein "allerbestes" Wort<br />

von <strong>Eugen</strong> da ist - ein "gutes" hätte nicht genügt.<br />

Ich bin nun wieder froh, ganz froh, <strong>Gritli</strong>. Auch mein eignes Wort, das du mir zurückbrachtest,<br />

vom Februar als Glied in der Kette, und wie dus mir zurückbrachtest, --- aber die Hauptsache war

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