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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 174 of 178<br />

Verwandschaft) voraus und giebt eigentlich vom ersten Wort an nur "Exegese" dieses wie ein Text<br />

Vorausgesetzten. Daher ist es auch nicht spannend . Weil er nämlich das Ganze voraussetzt und<br />

fortwährend vom Ganzen handelt (während ich erst vom Anfang spreche, dann von der Mitte, dann<br />

vom Ende, was natürlich spannend wirkt). Ich las die neuen Anfangsseiten der Einl.I vor, wo dann<br />

Hans selber auch die Verwandschaft merkte. (Im Styl freilich gar nicht; sie sind ganz hanebüchen,<br />

und durchaus "kriegsteilnehmerhaft").<br />

Nun noch etwas: Onkel Viktors Brief. Er ist doch sehr gut. Von ihm alles, was <strong>Eugen</strong> und wir alle<br />

nur erwarten können, und mehr. Aber <strong>Eugen</strong> darf ihm nicht auf Einzelnes daraus antworten. Das eine<br />

Missverständnis, wegen der "wissenschaftlichen Ehrlichkeit" werde ich selber bei O.Viktor<br />

richtigstellen: dass <strong>Eugen</strong> das nur subjektiv meinte, nicht etwa solchen Arbeiten an sich die<br />

"wissensch. Ehrlichkeit" abstreiten wollte. Aber im Ganzen muss er sich doch wirklich über den<br />

Brief freuen. Es steckt doch soviel Verständnis drin, wie ein bloss gebildeter Mensch überhaupt<br />

aufbringen kann. Dass er mich ein paar Mal à la Kantorowicz als gelehrten Musterknaben ihm<br />

entgegenstellt, dafür kann ich ja nichts oder wenigstens nicht viel; es war wohl auch etwas, um<br />

Mutter einen Spass zu machen.<br />

Ich grüsse und küsse euch beide.<br />

Euer Franz.<br />

26.XII.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, es ist doch nichts geworden mit der "Unterbrechung", heute früh kamen die Massen<br />

schon wieder in Fluss. Danach las ich, seit wieviel Tagen zum ersten Mal, wieder Zeitungen und<br />

entsetzte mich. - Emil bleibt bis Neujahr hier. Wenn ich dann nach Berlin fahre, so fahren wir ein<br />

Stück zusammen. Gestern Abend fand ich ihn über dem Polyglott - ein scheusslicher Name - über<br />

der Johannesstelle "hast du mich lieb" (die übrigens auf griechisch in den drei Fragen und Antworten<br />

eine Steigerung hat, von der das Deutsche nichts ahnen lässt); er sagte, das wäre doch die<br />

Hauptsache, ja eigentlich das Ganze, und dann meinte er: er würde gern eimal <strong>Eugen</strong> nach diesem<br />

Punkt gefragt haben. Es war wieder das gleiche, wie damals in der Geschichte vom "Erlebnis", die<br />

ich dir erzählte, wieder die merkwürdige Unfähigkeit, von sich selbst her zu wissen, dass der andre<br />

ist "wie du". Aber ausserdem spürte ich doch auch wieder, wie sehr wir uns alle mit unserm<br />

Denkenkönnen und =müssen selber im Licht stehn. Dabei begriff er doch, als ich es ihm dann sagte,<br />

die Notwenigkeit des Dogmatischen, des Gedankenmässigen, des Sehenmüssens, vollkommen. Es ist<br />

ja die notwendige Ergänzung. Aber weil uns das Eigentliche selbstverständlich ist, so machen wir<br />

soviel Lärm um die Ergänzung, dass es wirklich so aussehen kann als wüssten wir nur von ihr. Es ist<br />

das auch die Gefahr des Kampfs gegen den "Liberalismus". Denn von diesem Eigentlichen weiss und<br />

spricht Harnack und seinesgleichen, gewiss als ob es das Einzige wäre; es ist freilich nicht das<br />

Einzige, aber doch immer das Eigentliche. Beckerath selber sagte mir auch, dass ihm das neulich, als<br />

so über den Liberalismus hergezogen wurde (an dem Abend der "Bibelkritik") immer auf der Zunge<br />

gelegen habe. Aber also: es ist wirklich so, dass wir immer in der Gefahr sind, mit dem<br />

"Athnetischen" das "Thnetische" zu übertönen. Die Arbeit des Erkennens muss ja wohl getan<br />

werden, aber dann auch ab=getan. In einem Monat bin ich fertig, quant à moi. Und ich glaube, erst

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