Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy
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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 47 of 178<br />
Ich denke wohl, du wirst im Mai nach Kassel fahren, wenn da <strong>Eugen</strong> nicht grade kommt. Aber<br />
dann kann er dich ja auch dort abholen. Mutter schreibt jetzt, sie hätte Verlangen nach dir. Es ist<br />
doch auch gut, wenn du bald kommst, wo du grade die letzte Zeit da warst. Es wird ja keine schöne<br />
Zeit für dich werden, im Gegenteil; auch wenn du es vorher nicht als Opfer empfindest, es wird dich<br />
dann doch bedrücken; aber du wirst dir das gar nicht ersparen wollen. - Nimm vielleicht auch auf<br />
alle Fälle den 1916er Briefwechsel mit und fang sachte mit dem Abtippen an, eine Maschine mit der<br />
dir geläufigen Tastatur findest du sicher im Geschäft; und mehr wie 1/2 oder höchstens eine ganze<br />
Stunde kannst du doch nicht daran sitzen, es wird ein ziemlich anstrengendes Buch von 2-300<br />
Seiten, aber ein schönes. In Gedanken habe ich schon die Umschläge für die drei Exemplare, eures,<br />
meins und Rudis, "entworfen". Ich glaube, Mutter wird es ganz lieb sein, wenn sie sieht, dass man<br />
sie gar nicht in einem fort "umgiebt". Und noch eins: geh ihr in Kleinigkeiten an die Hand (z.B.<br />
Kaffeetischabräumen u. dergl.); sie ist wie alle Diesseitsnaturen ein - Pedant, und nimmt deine<br />
"Faulheit" tragischer als sie dich merken lässt; du hast selbst mehr von ihr, wenn du ihr das<br />
Misstrauen in deine "Tüchtigkeit" unmöglich machst (es gehört so wenig zu dem was die Leute<br />
"tüchtig" nennen). Ich rede ja mit dir wie eine Tante, vielleicht sogar wie eine von <strong>Eugen</strong>s Seite, und<br />
bin doch -<br />
nun jedenfalls: nicht deine Tante<br />
x) vgl. Dor Tilmann.<br />
3.V.[18]<br />
Liebes, gleich drei Briefe kamen gestern von dir, und auch das Manuskript von <strong>Eugen</strong>s Mutter.<br />
Ich habe es erst durchgestöbert, war aber erschrocken. Es ist lange nicht verrückt genug; das was du<br />
mir erzähltest, kommt zwar drin vor (es ist eine "Umarbeitung" des Manuskripts das du gesehn hast)<br />
aber verhältnismässig dünn und wenig umfangreich. Das meiste ist Natur= u. Religionsgeschichte im<br />
Züs Bünzli = Styl. Druckfähig, wie Häckel, Ostwald u. ihre Anhänger; die lassen auch so Sachen<br />
drucken, aber druckenswert kaum, eben weil mehr Züs Bünzli als Mr.Dick. (Aber du kennst ja den<br />
David Copperfield nicht - sonst würdest du zu Greda nicht das child - wife nennen können).<br />
Immerhin: was für sie zu machen wäre, wäre wohl: Herstellung eines literarischen Verkehrs mit den<br />
Monisten (also z.B. Druck im Unesma = Verlag). Daraufhin werde ich versuchen es zu korrigieren,<br />
soweit es mir, und überhaupt, möglich ist. - Die Bibel "ist übrigens gar nicht so". Es kommt ihr<br />
weiter nicht darauf an, Gott Mütterlichkeit zuzuschreiben sogut wie Väterlichkeit. Im Ps.131, im<br />
letzten Kap. Jesajah, V.13. Es gilt eben von beidem Jes.40 "wem wollt ihr mich vergleichen, dass ich<br />
gliche". Vom Judentum weiss sie komischerweise noch weniger als vom Christentum. Es ist mir<br />
wieder ganz deutlich geworden, dass <strong>Eugen</strong>s Eltern an seiner Taufe nur deswegen Ärgernis<br />
genommen haben weil er damit ausdrückte, vorher, als ihr Sohn, Jude gewesen zu sein. Wie wenig<br />
ers - "Blut allein..." - war, konnte er ja nicht wissen.<br />
Gewiss, im Westen wird England nicht besiegt. Das ist der Grund, weshalb ich lange an keine<br />
Westoffensive glauben mochte, denn 100 Divisionen im Westen imponieren England weniger als 4<br />
in Mesopotimien oder Palästina. Aber das ist eben das Wesen des deutschen Militarismus, der<br />
Glaube dass im Westen Entscheidungen wüchsen. Es ist die eben rein technische Auffassung des