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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 124 of 178<br />

Oktober <strong>1918</strong><br />

1.X.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, sieh mal an, es ist gut, wenn man ausgeschlafen hat, das habe ich nämlich seit<br />

längerer Zeit diese Nacht zum ersten Mal, und gleich sah sich heute Morgen alles anders an; ich habe<br />

eben I 3 zu Ende geschrieben und es gefällt mir gar nicht schlecht. Ein paar Tage werde ich mich ja<br />

wohl noch hier "ausrasten" und inzwischen I 2 u. I 3 abschreiben und das kleine Übergangskapitel<br />

von I nach II machen. So ganz richtig bin ich zwar noch nicht wieder "drin", aber auch nicht mehr so<br />

trostlos "draussen".<br />

Frau Gronaus Benehmen ist mir auch sehr ärgerlich; es steckt eine arge Gefühlsroheit darin,<br />

eigentlich ja überhaupt in ihrem ganzen Verhalten.<br />

An I 3 könnte ich dir gut zeigen, was überhaupt in diesem ganzen "Elemente" = Teil steht.<br />

Denn hier ist der Zusammenhang mit dem Rudibrief ganz eng. Du entsinnst dich sicher der<br />

Schilderungen des Menschen vor der Offenbarung, die ja durch den ganzen Rudibrief<br />

hindurchgehen, des "stummen", "tauben", in sich vergrabenen Klotzes. Diese ganzen Schilderungen<br />

bilden jetzt den Inhalt von I 3, und zwar nach Möglichkeit wirklich ohne Übergreifen in die<br />

Offenbarung; also z.B. dieser Mensch sagt noch nicht einmal "Ich", er hat tatsächlich noch keine<br />

Sprache.Ich nenne ihn "das Selbst" (im Gegensatz sowohl zur "Persönlichkeit", d.i. der Mensch in<br />

der Welt, als zur "Seele", d.i. der Mensch dem die Offenbarung geschehen ist). Die Terminologie ist<br />

hier glaube ich besonders klar. Die Schilderung des "Selbst" gipfelt in dem Helden der antiken<br />

Tragödie, besonders natürlich des Äschyleischen. Die schweigen berühmtermassen manchmal<br />

aktlang, und grade dies Schweigen ist die Höhe ihrer tragischen Existenz. Da hast du also den<br />

stummen Klotz des Rudibriefs als eine höchst wohlfriesierte weltlitteraturgeschichtliche<br />

Erscheinung. Das Selbst wird dann zur Seele im Augenblick wo es spricht, aber das tut es eben hier<br />

noch nicht. Für das Heidentum giebt es nur die Alternative: heldisches Selbst - welteingefügte<br />

Individualität, jenes der Mensch im ewigen Singular, dieses der Mensch im ewigen Plural. Die Seele<br />

erst ist so "singular" wie der Held und dennoch giebt es von ihr einen Plural: die Seelen im "Reich"<br />

Gottes. - so wie ich also hier den heidnischen Menschen isoliere, so in I 2 die heidnische Welt, in I 1<br />

den heidnischen Gott. Und es ist nun jedesmal so, dass die Offenbarung (bzw. die Schöpfung) die<br />

Elemente, wie sie in I dargestellt sind, ganz und gar nötig hat. Wie du am "Selbst" ja ganz deutlich<br />

siehst; ohne Selbst keine Seele, wie es ja der Rudibrief darstellte. So nun aber auch ohne die<br />

hanebüchene Lebendigkeit des richtigen mythischen Heidengotts kein Gott der Liebe und des<br />

Lebens; von den blassblütigen Geistgöttern Indiens führt kein Weg dahin. Und ebenso muss die Welt<br />

um Kreatur sein zu können, ganz plastisches Gebild sein; das ist schwerer zu verstehn; es ist aber<br />

genau so. - Soweit ist also das Buch nun; die "Vergangangeit" ist dargestellt, nun kommt die<br />

"Gegenwart" dran, die Welt wie sie wirklich ist, statt der heidnischen Abstrakta "Gott", "Welt",<br />

"Mensch". Statt deren kommen nun die lebendigen Beziehungen "Schöpf.", "Off.", "Erl.".<br />

Nun weisst du ungefähr was los ist. Die Form der Darstellung in I war nun so, dass im<br />

Geheimen schon der * dahinter stand; nämlich die dreie, Gott Welt Mensch, wurden lebendig, bzw.<br />

gestalthaft, bzw. Selbst durch einen inneren Prozess von Selbstschöpfung, Selbstoffenbarung,

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