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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 80 of 178<br />

Juli <strong>1918</strong><br />

[2.VII.18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, heut kamen deine Briefe vom Hochzeitstag - ich lerne all deine Tage erst dieses<br />

Jahr; auch <strong>Eugen</strong>s Geburtstag konnte ich nur dunkel durch irgendwelche Petitfours = Erinnerungen<br />

an 1913 allgemein auf "Anfang Juli" lokalisieren und wusste nicht einmal dass damals der 7.VII,<br />

mein <strong>Eugen</strong>tag, gleich nach dem natürlichen <strong>Eugen</strong>tag folgt. Und antworten tue ich dir heute; vor<br />

einem Jahr fuhret ihr von Kassel ab, Vaters 60ter Geburtstag liess mich da sehr kühl - etwas,<br />

worüber ich heute eher lachen als weinen könnte --- so ein zweideutiges und kurioses Ding ist das<br />

Menschenherz - ihr fuhret ab und ich tat etwas was mir schwer fällt, weil es eben doch ein "Schritt"<br />

war in einer Schicht, wo man gerne sich nur tragen lassen möchte, aber manchmal wollen doch auch<br />

Schritte getan sein - und zog die dünne Hülle des Sie über unserm Du weg. Ich möchte dir den<br />

ganzen Briefbogen voll schreiben mit diesem seligsten Wort der Sprache, das uns geboren wird aus<br />

dem allerunseligsten, dem "Ich". Aber ich tue es nur mit sympathetischer Tinte, die erst im letzten<br />

Wort des Briefs sichtbar wird, dieses Briefs und aller meiner Briefe an dich ---- du kennst es.<br />

Dein Telegramm vom Sonntag Mittag (es kam schon abends an) überholt ja die Briefe. Es ist<br />

noch alles unsicher; und es wird auch erst im letzten Augenblick gewiss werden; diese Details sind ja<br />

ohne Interesse, also die Hauptsache: wahrscheinlich werde ich Diestag früh, mittags oder<br />

nachmittags in Berlin ankommen, vielleicht allerdings auch erst Mittwoch. Falls ich aber schon<br />

Sonntag ankomme, fahre ich dir auf der Thüringer Strecke entgegen; wie weit, das hängt dann von<br />

dem Zug ab, mit dem ich in Berlin ankomme und von dem Telegramm das ich von dir am Bahnhof<br />

Friedrichstrasse bahnpostlagernd vorfinde; ich telegrafiere dich am Tag vorher ausführlich an. Auf<br />

jeden Fall muss ich von Kassel Mittwoch auf Donnerstag Nacht weg, denn die Fahrtunter-brechung<br />

habe ich nicht gekriegt und muss also versuchen mir hier die nötigen Papiere zu "verschaffen", was<br />

aber wahrscheinlich gelingen wird. Sehen werden wir uns also auf jeden Fall, da du nach Berlin<br />

kommst. Wenn ich noch keine andre Telegrammadresse für Berlin von dir habe, so benutze ich<br />

"Anhalter Bahnhof bahnpostlagernd"; da kannst du beim Ankommen bequem nachfragen, ob etwas<br />

für [gestr. Margrit ] <strong>Rosenstock</strong> = Hüssy da liegt.<br />

So greuliches Zeug muss ich dir schreiben und doch - es geht ja nicht anders. Ich hatte dir noch<br />

allerlei zu schreiben, aber es will jetzt nicht, - das Fahrplan= etc. Geschreib hat mir die Feder<br />

verschmutzt. Beinahe will das "letzte Wort" nicht aus ihr heraus - hör es drum so - mein Mund<br />

spricht es, mag sich die Feder sträuben -- hör es!<br />

------<br />

4.VII.[18]<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, ich bin wieder in Warschau und schreibe an dich. Schon nach Berlin; du sollst doch<br />

ein Wort vorfinden. Morgen musst du wohl früh heraus, wenigstens wenn ich es fertig kriege schon<br />

mit dem Frühzug da zu sein. Du kämst am besten gleich fertig zur Weiterreise. Vielleicht muss ich ja

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