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Gritli Letters - 1918 - Eugen Rosenstock-Huessy

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<strong>Gritli</strong> <strong>Letters</strong> - <strong>1918</strong> 113 of 178<br />

Moselwein, wobei der arme Renner, mit dem Putzi damals zusammenlebte, - Käte kannte ihn -<br />

gelegentlich ins Zimmer sah, ob wir noch nicht fertig wären. -- Grabowski ist sicher nicht ganz<br />

gescheit, aber für einen Politiker schon zu sehr. Wieviel nichtkatholische Menschen auf der Welt,<br />

aber auch nur in Deutschland, überhaupt wissen, was das "Reich" ist? Ich glaube, man kann sie an<br />

den Zähnen abzählen (was übrigens greulich aussähe), und wenn man die Juden und<br />

Judenstämmlinge weglässt, an den Fingern einer Hand. Der letzte Punkt ist der merkwürdigste, <strong>1918</strong><br />

p.Chr.n. Der Deutsche +), wenn er sich von dem Bauchdienst der "Nation" losgemacht hat, verfällt<br />

gleich dem Gehirnfimmel der "Idee". Er ahnt nicht, dass beides Götzendienst ist und dass Gehirn und<br />

Bauch Glieder sein müssen des Corpus = . Fichte ist der eigentliche Feind; und es gehört zu<br />

den Krausheiten des Augenblicks, dass er in diesem katholischen Krieg von der Majorität der<br />

deutschen Intellektuellen erst heroifiziert worden ist .<br />

Dass das Examinieren zum Dozieren gehört, hatte ich noch nie bedacht. Es ist aber wahr.<br />

Dein Franz.<br />

+) ich lese die Brüder von Rhoden.<br />

4.9.18<br />

Liebes <strong>Gritli</strong>, ich muss dir wieder mal vom "Stern" erzählen, - grade weil du ihn ja nachher wenn<br />

er fertig ist doch nicht lesen kannst; er wird sehr schwer, wenigstens nach dem Teil zu urteilen, den<br />

ich jetzt schreibe. So muss ich dich jetzt, solange er noch bei mir ist daran teilnehmen lassen. Das<br />

Schreiben selbst ist ja gar nicht so schön; es ist mehr Arbeit. Das Herrliche aber ist das blosse daran<br />

Denken, wobei dann die Notizen entstehen. Ich spüre fast körperlich die Gedanken in mir wachsen<br />

und sich verzweigen, und spüre wie immer wieder aus den gleichen Wurzeln die Säfte in die neuen<br />

Zweige steigen. Das ist ein Gefühl, um das es sich schon allein lohnte zu leben. Der Zusammenhang,<br />

den alles ver = und zerstreut Gedachte von Jahren her in so einer Zeit plötzlich bekommt. Heute ist<br />

mir deutlich geworden, nachdem es schon ein paar Tage in mir gebrummt hatte, wie meine<br />

Gedanken über die Sprache, die ich vor 2 Jahren zuerst formulierte (von der Sprache als der Mitte<br />

zwischen den zwei Sprachlosigkeiten des Nochnichtsprechenkönnens und des<br />

Nichtmehrsprechenbrauchens, zwischen der Stummheit des Steins und dem Schweigen Gottes) (was<br />

jeder doch im Leben erfährt: erst kann er nicht mit jemandem sprechen, nachher kann ers und zuletzt<br />

hat ers nicht mehr nötig - man versteht einander auch ohne Worte) wie das sich jetzt in das Ganze<br />

einfügt und in all seinen Teilen hervortritt. Die Sprachlehre (wie auch die Kunst) hat keinen festen<br />

Ort, sondern geht durch das Ganze. Die ganze Unzulänglichkeit der Idealisten von 1800 zeigt sich in<br />

diesem einen: dass sie geglaubt haben, es gäbe eine "Ästhetik"; noch Hansens Frage nach <strong>Eugen</strong>s<br />

"Verhältnis zu den Künsten" stammt aus diesem alten Wahn. (Eine Sprachlehre haben sie überhaupt<br />

nicht gehabt - das ist das andre grosse Symptom. Schon Hamann wollte und Herder hat aus diesem<br />

Gesichtspunkt Kant kritisiert). - Zu dem Plan neulich: der III.Teil heisst nicht Das Bild (das könnte<br />

subjektiv verstanden werden, wie in dem Wort Weltbild), sondern: die Gestalt.<br />

Ich schicke euch nächstens doch die Rhodenschen Briefe. Es ist doch etwas Grosses, obwohl<br />

greulich ätherisch. - Das Breuersche "Judenproblem", ein, obwohl aus der schwärzesten deutschen

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