Verfassungsschutzbericht 2010 - Baden-Württemberg

ISLAMISTISCHER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS
3. ISLAMISTISCHER EXTREMISMUS
3.1 „TABLIGH-I JAMA’AT“
(„GEMEINSCHAFT FÜR VERKÜNDIGUNG UND MISSION“)
Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts entstand eine der größten innerislamischen
Missionsbewegungen: die Tabligh-Gemeinschaft. Der Islamgelehrte Maulana
Muhammad Ilyas (1885–1944) formulierte in der Nähe von Delhi, Indien,
seine Ideen einer islamischen Wiedererweckung, Wiederbelebung und Mission.
Nach der Teilung Indiens 1948 und der Gründung Pakistans fand diese
Massenbewegung in den Städten Lahore und vor allem im benachbarten Raiwind
ihr geistiges Zentrum. Für Europa gilt die englische Stadt Dewsbury in
Yorkshire als wichtigste Begegnungs- und Ausbildungsstätte der Gemeinschaft.
Weltweit sollen sich dieser Bewegung 80 Millionen Muslime angeschlossen
haben. In Pakistan werden ihr über 1.000 religiöse Schulen zugeschrieben. Bei
den jährlich stattfindenden Zusammenkünften versammelten sich in der
Vergangenheit bis zu drei Millionen Anhänger in Pakistan, Indien oder Bang -
ladesh. In Europa treffen sich seit den 1960er Jahren Anhänger der Tabligh-
Gemeinschaft, die sich in Gruppen (Jamaat) von Mitgliedern und Anhängern
auf Missionsreisen in andere Städte – und dort vor allem in die Moscheen –
begeben. Aus der Bewegung sind in den zurückliegenden Jahren jihadis -
tische Gewalttäter hervorgegangen.
In englischsprachigen Medien wird die Tabligh-Gemeinschaft häufiger als „größte
muslimische evangelikale Bewegung“ bezeichnet. Das Islamverständnis ihrer Anhänger,
das sich an den Prophetengefährten und den islamischen Quellen orientiert,
entspricht in vielen Punkten den im Kapitel B.2. vorgestellten Konzepten salafis -
tischer Strömungen. Missionsbemühungen und die Erhaltung einer „authentischen
islamischen Identität“ stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten.
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